Sonntag, 20. März 2011

Was ist Sucht?

Von Katrin Koch

Eine berechtigte Frage. Was ist Sucht und wo fängt sie an? In unserem heutigen Sprachgebrauch ist das Wort "Sucht" ein sehr geläufiges. Jeder nutzt es, aber meist mit unterschiedlicher Intention.

Habsucht, Schokoladensucht, Fernsehsucht, Eifersucht, Kaufsucht, Putzsucht, Profilsucht, Sexsucht, Spielsucht, Arbeitssucht, Raffsucht, Computersucht, Streitsucht, Schuhsucht, Seriensucht... die Liste lässt sich unendlich weiterschreiben. Aber was meinen wir damit?

Geht es in Wirklichkeit nicht um liebgewonnene Angewohnheiten? Um Rituale, wie zum Beispiel sich mit einem neuen Paar Schuhe zu belohnen, wenn man etwas gut gemacht hat? Oder die obligatorische Schokolade als Belohnungssystem? Die Serie, die man am Sonntagabend nicht verpassen möchte. Oder das Fußballspiel des Vereins?

Natürlich hat die Sucht in unserem Sprachgebrauch auch eine negative Tonalität, vor allem, wenn wir über negative menschliche Züge sprechen, wie Streitsucht, Raffsucht, Eifersucht, Habsucht.

Worum geht es bei dem Thema Sucht? Was meinen wir damit, wenn wir von Sucht sprechen? Letztlich geht es um kurzfristiges, phasenweise oder dauerhaftes exzessives Verhalten. Um eine Verhaltensart, die im geringen Maße niemanden stört. Ob man nun Schokolade isst, Kaffee, Cola oder Alkohol trinkt, die Auswirkungen spürt man nur selbst. Aber ist das nicht auch ein persönliches Recht? Hat man als mündiger Bürger nicht das Recht frei zu entscheiden, was man mit seiner Gesundheit und/oder seinem Geld macht? Ist das Thema Selbstverantwortung nicht eigentlich das zentrale Thema, das bei dieser derzeit in den Medien emotional und zum Teil mit absurden Ausprägungen geführten "Suchtdebatte" wieder in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden muss?

Betrachtet man die derzeitig geführte Spielsucht-Debatte, die von "Suchtexperten" geführt und von Politikern aufgenommen wird, dann stellt sich die Frage, über welche Sucht spricht man eigentlich bzw. welche steht hier im Vordergrund: Aufmerksamkeitssucht, Mediensucht, Profilierungssucht, Raffsucht? Denn worum geht es im Kern? Geht es wirklich um die Menschen, die darüber die Kontrolle über ihr Tun verloren haben? Oder geht es viel mehr um vermeintliche "Suchtexperten", die sich mit ihrem "Wissen" in den Vordergrund spielen und zu jedem Thema in den Medien erscheinen wollen? Beziehungsweise um Politiker, die in Zeiten des Wahlkampfes auf der Suche nach emotionalen Themen das Thema Spielsucht gern aufgreifen, da es sich zugleich wunderbar mit der Möglichkeit neue finanzielle Quellen zu erschließen kombinieren lässt?

Fakt ist, dass die derzeit geführte Diskussion nicht ehrlich ist. Ehrlich wäre sie, wenn nicht zwischen gutem und schlechtem Spiel, guten und gezinkten Karten bzw. guten und schlechten Automaten unterschieden würde.

Was heißt spielsüchtig eigentlich konkret? Dass ich im Spiel versinke? Was ist dann mit den Gesellschaftsspielen wie Siedler, Doppelkopf, Bridge oder den Onlinespielen World of Warcraft? Was ist mit Nintendo/Super Mario? Spiele, die jung und alt faszinieren, die einen so zu sagen gefangen nehmen und wo der Spielspaß im Vordergrund steht. Müssen sie deshalb verboten werden?

Wo hört der Spaß auf und wo fängt der Ernst an? Wir brauchen Sucht, denn Sucht ist etwas zutiefst menschliches, denn letztlich ist der Mensch vom Trieb gesteuert. Unser Verstand bzw. die Disziplin sorgen dafür, dass unser Verhalten nicht ausufert und wir die Kontrolle behalten. Was ist Sucht also? Letztlich fängt Sucht doch dort an, wo Disziplin fehlt; wenn ein Kontrollverlust stattfindet; wenn man nicht mehr "ohne" kann: ohne Schokolade, ohne Alkohol, ohne Zigaretten, ohne Fernsehen, ... eben ohne das selbst gewählte "Suchtmittel".

Aber macht das "Suchtmittel" abhängig oder dient es nur als Ventil? Sozusagen ein Medium, das einen entspannen lässt, das einen abschalten lässt bzw. das Gefühl von Kontrolle vermittelt?

Wo findet Sucht statt? Sucht findet im Verborgenen statt, dort, wo niemand hinschaut, wo man allein gelassen wird, ist oder sein möchte. Der Marathonläufer, der sich ab Kilometer 35 in einen Rausch läuft, der Fußballfan der seinem Verein hinterher reist und dabei sein gesamtes privates Leben auf diesen einen Verein abstellt. Die gesamten Gedanken, das ganze Leben kreisen nur um dieses eine Thema.

Sucht ist allgegenwärtig. Die Frage ist nur, wer ist verantwortlich und für wen? Die Eltern für ihre Kinder? Die Lehrer für ihre Schüler? Die Politiker für die Schaffung von vernünftigen Rahmenbedingungen? Die Anbieter für ihre Produkte?

Muss im jedem Lebensmittelgeschäft, in jeder Eisdiele, in jedem Fast Food Lokal zukünftig ein Ernährungsberater stehen? Muss in jeder Bar, jedem Restaurant, in jeder Tankstelle, in jeder Diskothek zukünftig an dem Tresen ein Suchtberater stehen? Und was ist mit den Kaufhäusern, den Online-Shopping-Kanälen? Werden dort zukünftig an den Kassen entsprechende Therapeuten mit den Kunden über ihre Einkäufe sprechen?
N E I N! Das kann nicht im Sinne unserer Gesellschaft sein. Hier kommen wir wieder auf den Grundsatz unserer Gesellschaft. Auf unser Grundgesetz: Danach hat jeder Mensch das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Dies gilt für alle! Für die Raucher, für die Spieler, für die Konsumenten, für die Politiker, etc.

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Getreu diesem Ansatz, sollte nicht das Verbot oder die strengere Reglementierung im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die Sicherstellung, dass man die Kompetenz erhält, richtig mit den Produkten umzugehen, um für sich oder andere Personen schadhafte Auswirkungen zu verhindern.

Jeder mündige Bürger sollte frei entscheiden können, was er mit seinem Geld, seiner Zeit und/oder seiner Gesundheit macht. Das Thema Selbstverantwortung muss wieder in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden. Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Bürger zu bevormunden.

Wenn eine Frage aufgeworfen werden kann, dann die, wie werden all diese Süchte finanziert? Mit Geld. Und wer stellt das Geld zur Verfügung? Die Banken. Aber sollen die Banken zukünftig verantwortlicher handeln und ihre Kunden vor zu großen bzw. unangemessenen Geldausgaben z.B. an der Börse bewahren? Beziehungsweise noch einen Schritt weitergehen und auf die Vergabe von unverhältnismäßig hohen Krediten verzichten? Auch hier lässt sich die Frage mit NEIN beantworten. Denn jeder Mensch muss eigenverantwortlich handeln. Die Gesellschaft, das Elternhaus müssen dafür sorgen, dass jeder Mensch eigenverantwortlich erzogen wird. Nur so kann und wird zukünftig eine Gesellschaft funktionieren.

Jedoch müssen süchtige Menschen motiviert werden, aus dem Kreislauf auszubrechen, ihre Strukturen, ihr gelerntes, zum Teil konditioniertes Verhalten zu ändern. Hier ist der Ansatz der Therapeuten "einmal süchtig, immer süchtig" kontraproduktiv. Wenn von Anfang an feststeht, dass alle Bemühungen vergebens sind, dann stellt sich die Frage nach dem warum noch aktiv werden. Hier muss ein Umdenken stattfinden!

Quelle: Gauselmann AG


Der Staat ist größter Gewinner der Spielsucht:
Er kassiert mehr als eine Milliarde Euro. 


Glücksspiele – unterschiedlich riskant
vom 31. Januar 2012

Grünen-MdL Ulrike Gote: "Bisher agiert der Staat hier gleichzeitig als Dealer und Kontrolleur. So etwas kann nicht gut gehen."

Fachbeirat Glücksspielsucht wirft Bund "marktorientiertes Gewinnstreben" vor
Super-Jackpot mit 90 Millionen - soll zum Spielen animieren !!!

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 ist das Glücksspiel-Monopol nur dann zulässig und gesetzeskonform, wenn der Staat die Spielsucht seiner Bürger glaubhaft bekämpft, diese Sucht so weit wie möglich eindämmt und ihr Einhalt gebietet. Mit der Herausstellung von Jackpots bis 90 Millionen € werde sicherlich nicht die Spielsuchtbekämpfung verfolgt. Dem Artikel kann auch entnommen werden, dass die Behörde so dem staatlichen Glücksspiel einen neuen Schub verleihen will. Die Lottogesellschaften erwarten dadurch einen zusätzlichen Umsatz von 590 Millionen € jährlich.
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Spielhallengesetz Berlin: unkonkret!?

Der Berliner Senat hatte Mitte Februar ein Spielhallengesetz für Berlin beschlossen, um neue Spielhallenansiedlungen zu erschweren. In ihrer Sitzung des Rats der Bürgermeister am 10. März 2011 haben die Bezirksbürgermeister/innen bzw. ihre Vertreter das vom Senat beschlossene Spielhallengesetz kritisiert. Sie befürchten juristische Auseinandersetzungen mit den Betreibern wegen handwerklicher Schwächen im Gesetz. Dies geht aus einem am 18.03.2011 veröffentlichten Beschluss hervor. Dort heißt es: "Der Rat der Bürgermeister hält Regelungen zur Erschwerung von Spielhallenansiedlungen grundsätzlich für begrüßenswert. Der vorliegende Entwurf des Berliner Spielhallengesetzes mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen ist jedoch derart unkonkret, dass eine rechtssichere und berlineinheitliche Umsetzung nicht möglich, hingegen eine Flut gerichtlicher Auseinandersetzungen wahrscheinlich erscheint."

Viele Vorgaben seien für die Umsetzung nicht konkret genug, bemängelte der Rat der Bürgermeister. Er verlangt unter anderem eine Konkretisierung des Passus, in dem es um das Spielhallen-Verbot in der Nähe von Jugendeinrichtungen geht. "Hier bleibt sowohl die Frage des einzuhaltenden Abstands offen wie auch die Definition fehlt, welche Einrichtungen konkret hierunter fallen."

Grundsätzlich soll der Abstand zwischen den Spielhallen 500 Meter betragen, damit man nicht so leicht von einer Halle in die nächste gehen kann. Im Gesetz heißt es, dass es einen solchen Mindestabstand geben "soll". Eine "Soll-Vorschrift" habe aber keine hohe Verbindlichkeit, so der Rat der Bürgermeister.

Im Übrigen spricht er sich gegen die Auflage aus, dass ein Einblick in das Innere der Räumlichkeiten nicht möglich sein soll. Das übliche Zukleben sei kontraproduktiv, "mit mehr Transparenz würden die Einrichtungen ihre oft negativen städtebaulichen Wirkungen und auch die Anreizfunktion des Geheimen verlieren."

Der Berliner Senat kann im zweiten Senatsdurchgang die Anregungen bzw. Empfehlungen des Rats der Bürgermeister aufgreifen. Über den Fortgang werden wir Sie informieren.

Quelle: Protokoll der 53. RdB-Sitzung vom 10.03.2011

Quelle: http://www.baberlin.de/