Mittwoch, 25. April 2012

Brüssel blockiert deutsche Glücksspiel-Reform

Von Dr. Wulf Hambach und Maximilian Riege, Hambach & Hambach Rechtsanwälte

Die EU-Kommission sperrt sich weiter gegen die geplante Neuregelung des Glücksspiels. Schon der erste Entwurf für einen neuen Staatsvertrag war krachend gescheitert, und trotz diplomatischen Tons spart Brüssel auch in der vor kurzem veröffentlichten Reaktion zum überarbeiteten Entwurf nicht an Kritik. Das Vorbild Schleswig-Holsteins könnte nun zum Ausweg aus der Misere werden.

Allen voran der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck hätte sich sicherlich eine andere Antwort aus Brüssel gewünscht – war doch die Ratifizierung des auch "E-15" genannten neuen Glücksspielstaatsvertrags-Entwurfs bei der Unterzeichnung Mitte Dezember 2011 von seinen konservativen Länder-Kollegen von einer "abschließenden positiven Stellungnahme der EU Kommission" abhängig gemacht worden.

Entsprechend groß war der Druck, den E-15-Vertreter während ihrer zahlreichen Besuche in Brüssel ausgeübt hatten. Doch die EU-Kommission zeigt sich davon unbeeindruckt und befindet in ihrer neuen Stellungnahme: "Auf der Grundlage der von den deutschen Behörden zur Verfügung gestellten Informationen sind die Dienste der Kommission noch nicht in der Lage, das Ausmaß der identifizierten Probleme bzw. die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme zu bewerten.”

Wie ein roter Faden zieht sich der Vorwurf der mangelnden wissenschaftlichen Grundlage für die Glücksspielregulierung durch das Kommissions-Schreiben. An etlichen Stellen kritisiert Brüssel, dass die Annahmen der 15 Bundesländer nicht überprüft werden können, weil wissenschaftliche Erhebungen für vermeintlich bestehende Risiken oder wirtschaftliche Erwägungen fehlen. Diese fordert auch der Europäische Gerichtshof.

Ohne Belege und Daten keine überzeugenden Verbote

Es scheint, als hätten die 15 Ministerpräsidenten und ihre Glücksspielreferenten aus dem blauen Brief der Kommission vom Sommer letzten Jahres nichts Entscheidendes gelernt. Schon damals wurde die unterschiedliche Behandlung von Sportwetten und Online-Casinospielen sowie Poker, die willkürliche Begrenzung auf sieben Sportwetten-Lizenzen und die hohe Besteuerung von Glücksspielanbietern bemängelt.

An dem Verbot von Online-Casinospielen und Online-Poker hat sich aber auch beim zweiten Versuch einer neuen Glücksspielregulierung nichts geändert. Anstelle von sieben Sportwetten-Lizenzen sollen nunmehr zwar zwanzig vergeben werden – bereits der 21. Interessent würde aber mit seinem Wettlizenzantrag im Regen stehen bleiben und gegenüber den anderen zwanzig diskriminiert werden.

Dies stellt übrigens nicht nur einen Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten dar, sondern ist auch nach deutschem Verfassungsrecht als nicht gerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Grundgesetz zu werten, wie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier erst kürzlich in einem Gutachten zum neuen Glücksspielstaatsvertrag festgestellt hat. Gleiches gilt für die vorgesehene Besteuerung.

Schließlich bedeutet die nicht begründete Ungleichbehandlung von Glücksspielen mit ähnlichem Suchtpotential, wie etwa Online-Sportwetten und Online-Poker, auch einen Verstoß gegen den Grundsatz einer konsistenten und kohärenten Glücksspielregulierung. Entsprechend kritisiert die EU-Kommission vor allem, dass die Gesetzgeber ihre Hauptaufgabe nicht erfüllt hätten, nämlich Belege und Daten für die Rechtfertigung von Verboten zu liefern. Tatsächlich reicht ein gebetsmühlenartig und ohne Beweise vorgetragenes Suchtargument weder zur Rechtfertigung des Lottomonopols noch zur Rechtfertigung des Online Casino- und Pokerverbotes aus.

Schleswig-Holstein hat seine Hausaufgaben gemacht

Da also der bisherige Weg der 15 Ministerpräsidenten nicht zu den richtigen gesetzlichen Antworten geführt hat, wäre es an der Zeit, den Schritt in eine andere Richtung zu machen – zum Beispiel nach Norden: Schleswig-Holstein kann sich im Vergleich zu E-15 sehr wohl auf "Daten und Belege" berufen – mit dem Ergebnis, dass die Brüsseler Antwort auf den norddeutschen Entwurf vor einem Jahr ebenso knapp wie unterm Strich positiv ausfiel.

Beispielsweise hat eine Studie des Bonner Forschungsinstituts für Glücksspiel und Wetten aus dem Jahr 2011 ergeben, dass Online-Poker keinen höheren Suchtfaktor als die Online-Sportwette aufweist. Wegen dieses wissenschaftlichen Belegs ist es aus Sicht des schleswig-holsteinischen CDU-Wirtschaftspolitikers Hans-Jörn Arp unverständlich, warum die Vertreter der anderen Bundesländer die Zulassung der Online-Sportwette befürworten, gleichzeitig aber das Verbot von Online-Poker aus Gründen der Suchtprävention propagieren. Dies sei logisch nicht erklärbar und habe, so Arp weiter, wohl eher ideologische Gründe.

Eine Position, die die anderen 15 deutschen Bundesländer vielleicht noch einmal überdenken sollten – zumal man nun doch zu der Erkenntnis gekommen scheint, dass der bisherige Weg nicht zielführend war. So ließ der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) unmittelbar nach der Stellungnahme der Kommission verlauten: "Der Vertrag ist in der jetzigen Form gescheitert".

Wie geht es nun weiter? Ein Beitritt zum schleswig-holsteinischen Regulierungsmodell ist jederzeit möglich. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident und die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP im Kieler Landtag haben immer deutlich gemacht, dass für die anderen Bundesländer die Tür weiterhin offensteht, um sich dem Modell Schleswig-Holstein anzuschließen. Der Rechtssicherheit in Deutschland im Bereich des Glücksspiels wäre es dienlich.

Quelle: TIME LAW NEWS 2/2012 (www.timelaw.de) Hambach & Hambach Rechtsanwälte 

Hans-Jörn Arp zu TOP 19+23:
Die CDU in Schleswig-Holstein hält die Tür für ein notifiziertes, europarechtskonformes Glücksspielgesetz offen!

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag sagte zum Glücksspielneuordnungsaufhebungsgesetz der SPD sowie zum Antrag der Dänenampel zum Glücksspielstaatsvertrag:

"Die Regierungskoalition hält die Tür für ein notifiziertes, europarechtskonformes Glücksspielgesetz von den anderen 15 Bundesländern offen."

Die Koalition nehme zur Kenntnis, dass dem Gesetzentwurf zum Lotterie- und Sportwettengesetz des Bundesrates ein Beihilfeverfahren drohen könnte. Im Gesetzentwurf sei eine Absenkung des Steuersatzes von 16 2/3 auf 5 Prozent vorgesehen. Diese Änderungen haben Auswirkungen auf das Steueraufkommen insgesamt und damit auch auf die Beihilfe für Rennvereine, die daraus ihre Zuchtprogramme betrieben. Durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag könnten so ausländische gegenüber inländischen Rennvereinen diskriminiert werden, weil auf Wetten im Ausland ebenfalls eine Steuer von 5 Prozent erhoben werde, ausländische Rennvereine jedoch nicht beihilfeberechtigt seien.

"Die Dänenampel sollte bei den anderen Bundesländern darauf hinwirken, dass ein notifizierter, europarechtskonformer Glücksspielstaatsvertrag vorgelegt wird. Das ist bis zum heutigen Tag nicht geschehen. Wir haben uns für ein modernes Glücksspielrecht ausgesprochen und eine seriöse Neuregulierung vorgenommen", so Hans-Jörn Arp abschließend.

Quelle: CDU-Fraktion des Schleswig-Holsteinischen Landtages



Costa-Urteil:
Europäischer Gerichtshof verschärft Anforderungen an die Vergabe von Glücksspielkonzessionen

Die Ausführungen des Gerichtshofs sind daher insbesondere für die EU-Mitgliedstaaten interessant, die Glücksspielkonzessionen neu vergeben wollen (wie etwa Deutschland) oder vergeben haben.

Im neuen GlüStV 2012 ist eine Schadenersatzpflicht für einen ungerechtfertigten Ausschluß von Marktteilnehmern nicht vorgesehen, die der EuGH jedoch verlangt.

"Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind." ( Urteil Rs. C-72/10 und C 77/10 Costa u.a. Rn 81)
 Staatsrechtler halten auch den "Neuen" GlüStV für rechtsswidrig.

Ein Land, zwei Gesetze  
Führt die gespaltene Rechtslage in Deutschland zur Unionsrechtswidrigkeit?


Mit der Unterzeichnung des nicht nur von namhaften Staatsrechtlern Prof. Dr. Christoph Degenhart und Prof. Hans-Jürgen Papier in mehrfacher Hinsicht als "verfassungswidrig" angesehenen neuen Glücksspielstaatsvertrags durch 15. Bundesländer (ohne Schleswig-Holstein) entsteht eine nicht EU-konforme Splittung innerhalb Deutschlands, die weder stimmig noch konsistent ist. weiterlesen

Hintergrund

Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1054/01) vom 28.03.2006 wurde die vollständige Verfassungswidrigkeit der alten Monopolregelung festgestellt, wodurch eine Neuregelung notwendig wurde. (Pressemitteilung Nr. 25/2006 vom 28. März 2006) Das BVerfG, stellte in dem Verfahren (1 BvR 1054/01), fest, dass ein staatliches Monopol nur dann verhältnismäßig ist, wenn es rechtlich so ausgestaltet ist, dass es konkret der Suchtprävention dient.
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Bereits am 8.9.2010 wurde die neue Monopolregelung (GlüStV) durch den EuGH, erneut als rechtswidrig eingestuft und die weitere Anwendung als unzulässig erachtet. (Pressemitteilung Nr.: 78/10 des EuGH) Somit wurde ein weiteres Mal eine Neuregelung notwendig.

In beiden Fällen wurde die Rechtswidrigkeit der Monopolregelungen festgestellt, da nicht die behauptete Suchtprävention im Vordergrund stand, sondern die finanziellen Interessen der Länder. Damit handelte es sich tatsächlich um ein unzulässiges Finanzmonopol in Form eines Kartells.  weiterlesen 

Nachdem der EuGH die Anwendbarkeit seiner Entscheidungen auf den effet utile 122 stützte, so hat er dieses Begründungsmuster später ergänzt um eine Argumentation, die auf die Treuwidrigkeit des mitgliedstaatlichen Verstosses abstellt.

Die unmittelbare Anwendung der Richtlinie soll verhindern, dass der Mitgliedstaat aus seiner Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts Nutzen zieht. 123

122  EuGH  Urt. v 3.12.1974 Rs 41/74  van Duyn, Slg.  1974, 1337ff. (1348, Tz. 12)
123  EuGH, Urt. v. 5.4.1979 Rs. 148/78 Ratti, Slg. 1979, 1629 ff. (1642, Tz.22)
Quelle:  Verwaltungsvertrag und Gesetz: eine vergleichende Untersuchung  ...   von Elke Gurlit (S. 82/122-123) s.a. Normsetzungsautorität und Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts s. S 83ff

Nationale Regelungen, die - wie das in Frage stehende neuerliche Sportwettenmonopol - die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 49 EG) beschränken, sind nur unter vier Voraussetzungen zulässig:
  • Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden,
  • sie müssten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen,
  • sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und
  • sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
Vgl. dazu: EuGH vom 23.10.1997 - C-189/95 (Lexezius) - Rdnr. 42, Urteil vom 26.10.2006 - C-65/05 - Rdnr. 49 und Urteil vom 05.06.2007 - C-170/04 (Rosengren)-.
Wenn die Zahl der Wirtschaftsteilnehmer beschränkt wird mit dem Ziel, die Gelegenheit zum Glücksspiel zu vermindern, muss die Beschränkung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen.
EuGH, Urteil vom 06.03.2007 - C-338/04, C-359/04 und C-360/04 (Plancanica u.a.) - Rdnr. 58. 
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 ist das Glücksspiel-Monopol nur dann zulässig und gesetzeskonform, wenn der Staat die Spielsucht seiner Bürger glaubhaft bekämpft, diese Sucht so weit wie möglich eindämmt und ihr Einhalt gebietet.

Mit der Herausstellung von Jackpots bis 90 Millionen € werde sicherlich nicht die Spielsuchtbekämpfung verfolgt.
In Wirklichkeit bleibt der Spielerschutz auf der Strecke und dient, lediglich als vorgeschobene Begründung für die Ausweitung "halb-staatlicher" Glücksspielangebote.

Der Fachbeirat Glücksspielsucht wirft Bund "marktorientiertes Gewinnstreben" vor.
Die Lottogesellschaften erwarten mit dem Eurojackpot einen zusätzlichen Umsatz von 590 Millionen € jährlich. Genau diese politischen Pläne zum Geld verdienen, stürzten das Monopol (vgl. EuGH 08.09.11), indem sie gegen die Ziele des GlüStV und gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstießen und weiterhin verstoßen.

Eine Scheinliberalisierung, wie von den 15 Bundesländern vorgesehen, wird ganz sicher nicht ausreichen den 90-Millionen-Eurojackpot zu legitimieren.


Um den Monopolbetrieben den Markt zu bereiten, wird auch das private Automatenspiel zu Tode reguliert. 

Automaten sind die neue Cash Cow Gewerbliche "Geldspielgeräte" versus "Einarmige Banditen"

Allein die 1965 verstaatlichten Spielbanken in Bayern stellen in 9 Standorten ca. 1140 Glücksspielautomaten bereit.  weiterlesen

"In Fragen der Innenpolitik beginnen die Mitgliedsstaaten, Deutschland eingeschlossen, erst langsam zu verstehen, dass Europa hier nach dem Vertrag von Lissabon Standards setzen kann"


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist gemeinsamer Gerichtshof und höchstes Gericht der Europäischen Union. Seine Urteile sind für alle Behörden, Gerichte und für alle Bürger in der EU bindend.

Die Entscheidungen des EuGH gelten für vergleichbare Fälle und sind als Primärrecht in einer gemeinschaftsrechtsfreundlichen Auslegung umzusetzen.

Der gemeinschaftsrechtliche Anwendungsvorrang gilt unmittelbar - nationales Recht ist entsprechend anzupassen. 

Zur "Spielsucht" haben deutsche Gerichte festgestellt: 

VG Kassel: Staatliches Wettmonopol verringert weder Spielsucht noch übermäßiges Spielangebot

VG Gera: Das staatliche Wettmonopol dient eher der Sicherung einer staatlichen Einnahmequelle und wirkt in keiner Weise der Entstehung von Spielsucht wirksam entgegen.

VG Halle: Für die Begründung eines Veranstaltungsmonopols mit Suchtgefahren gibt es keine Rechtsgrundlage.

Hessischer VGHkein ausreichendes Suchtpotenzial bei Geldspielautomaten