Sonntag, 1. April 2012

Nach der Ministerpräsidentenkonferenz: Liberale Bedenken gegen Glücksspielstaatsvertrag bleiben – Auch Online-Poker muss reguliert werden

Von Ansgar Lange +++ Berlin/München, April 2012 - Die Auseinandersetzung um den Glücksspielstaatsvertrag geht in die nächste Runde. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hat nach der Pressekonferenz der Ministerpräsidentenrunde am 29. März den Mund sehr voll genommen. "Wir sehen überhaupt nicht, dass es zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommen kann", so Beck, der sich augenscheinlich auch von dem letzten kritischen Brief der EU-Kommission zum Entwurf eines neuen Staatsvertrags äußerlich unbeeindruckt zeigt. Man brauche auch keinen "Plan B". Zur Überraschung vieler hatte die Ministerpräsidentenkonferenz – mit Ausnahme Schleswig-Holsteins, das ein eigenes, europarechtskonformes Gesetz verabschiedet hat – ohne viel Federlesens dem neuen Glücksspielstaatsvertrag ihren Segen gegeben. Nun müssen die 15 Länderparlamente über den Vertrag abstimmen. Gegenüber der Welt www.welt.de zeigte sich der SPD-Politiker zuversichtlich, dass er auch beschlossen werde. Er soll am 1. Juli in Kraft treten. Der auf Glücksspielrecht spezialisierte Rechtsanwalt Damir Böhm www.kartal.de wertete die Aussagen Becks als "eine absolute Dickfelligkeit". Der Ministerpräsident, dem eine gewisse Amtsmüdigkeit nachgesagt wird, hoffe wohl, dass Schleswig-Holstein auf den Zug aufspringe, "wenn nicht jetzt, dann nach der Landtagswahl".

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) zeigte sich vom Votum der übrigen 15 Bundesländer ebenfalls unbeeindruckt. Er bekräftigte nochmals die ablehnende Haltung gegen einen Vertragsentwurf, der nach der Einschätzung von Experten nicht europarechtskonform ausfällt: "Jetzt stellt sich die Frage der Ratifizierung des Änderungsstaatsvertrages durch die Landesparlamente. Regierung und Regierungsfraktionen in Schleswig-Holstein haben nach wie vor erhebliche Zweifel an der EU-Rechtskonformität des Glücksspiel-Staatsvertrags", so der Christdemokrat. Nach wie vor halte sich die EU-Kommission die Möglichkeit vor, gegebenenfalls Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten.

Deutlich verhaltener als Beck äußerte sich die bayerische FDP-Politikerin Julika Sandt www.julika-sandt.de. "Ein Staatsvertrag ist selten ein Grund zum Jubeln", so die liberale Landtagsabgeordnete. "Schließlich handelt es sich nicht nur um einen Kompromiss zwischen zwei Parteien, sondern um einen Kompromiss, an dem im Falle des Glücksspieländerungsstaatsvertrags 15 Landesregierungen in verschiedenen Koalitionen beteiligt waren. Alles in allem ist der Glücksspieländerungsstaatsvertrag aber ein Schritt in die richtige Richtung, zumal Sportwetten nun erlaubt sind."

Warum werden Online-Poker und Casinospiele nicht zugelassen?

Allerdings machte Julika Sandt auch klar: "Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob Spielsucht und Betrugsgefahr tatsächlich erfordern, Online-Poker und Casinospiele nicht zuzulassen. Wenn dies nicht einwandfrei nachweisbar ist, sind diese Spielarten mit dem zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag zuzulassen." Auch Vertreter der hessischen FDP-Fraktion hatten zuvor moniert, dass es für das Verbot von Online-Spielen keine Begründung gäbe. Damit liegen sie auf einer Linie mit der EU-Kommission, der zufolge eine Ungleichbehandlung von Glücksspielen mit ähnlichem Suchtpotential nicht gerechtfertigt sei, da Belege und wissenschaftliche Grundlagen für diese Ungleichbehandlungen fehlten. Wissenschaftlich untermauert wird diese Sichtweise durch eine aktuelle Studie www.it-tuv.com/news/online-poker-texas.html des Forschungsinstituts für Glücksspiel und Wetten im Auftrag der neutralen und unabhängigen TÜV TRUST IT GmbH Unternehmensgruppe TÜV AUSTRIA. Online-Poker Texas Hold'em, so ein zentraler Befund dieser Untersuchung, birgt – wie die Sportwette auch – nur mittleres Risiko. Aufgrund dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse erscheint es nicht nachvollziehbar, dass Online-Poker in Deutschland - mit Ausnahme des Bundeslandes Schleswig-Holstein - bis heute nicht reguliert ist. Dabei ist der deutsche Markt für Online-Poker der zweitgrößte der Welt.

Sandt wies auf diese Problematik in einer Plenarrede im Münchener Landtag jüngst hin: "In Deutschland haben wir ein Glücksspielmonopol, das viele Bürger umgehen, indem sie per Internet bei ausländischen Anbietern spielen. Die Goldmedia-Studie 'Glücksspielmarkt Deutschland 2015' beziffert den Anteil ausländischer Unternehmen am deutschen Glücksspielmarkt je nach Spielart auf bis zu 90 Prozent. Das Geld fließt auf die Cayman Islands oder nach Gibraltar an Spieleanbieter ohne Auflagen bezüglich Jugendschutz, Suchtprävention und ohne Manipulationskontrolle."

EU: Gefahr von Casino-Spielen muss bewiesen werden

Ob der Staatsvertragsentwurf der 15 Bundesländer wirklich in Europa juristisch Bestand haben wird, daran existieren erhebliche Zweifel. Denn die Kommission wird ganz genau prüfen, ob die Konzessionen transparent und diskriminierungsfrei vergeben werden. Frau Sandt weiß um diese offene Flanke des Entwurfs der 15, dem allerdings auch Bayern in der Ministerpräsidentenkonferenz jüngst zugestimmt hat. Die Nicht-Freigabe von Casinospielen im Internet werde von der Kommission kritischer gesehen: "Deutschland wird aufgefordert, entsprechende Nachweise zu erbringen, dass die Spielsucht und Betrugsgefahr tatsächlich erfordert, diese Spielarten nicht zuzulassen. Deutschland muss dieser Anforderung der Kommission nachkommen! Wir haben von Anfang an darauf gedrängt, dass der Vertrag europarechtskonform ist. Deshalb haben wir unsere Zustimmung auch nur unter dem Vorbehalt der Notifizierung durch die EU-Kommission gegeben."

Gegenüber dem Hessischem Rundfunk www.hr1.de äußerte sich der Glückspielrechtsexperte Dr. Wulf Hambach kurz nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten in Berlin: "Dem Bürger ist nicht erklärbar, warum ein offiziell EU-rechtswidriger Gesetzesentwurf, nämlich der der 15 Bundesländer, ein offiziell EU-konformes Gesetz - das Glücksspielgesetz Schleswig-Holsteins - verdrängen sollte. Europarecht sollte niemals ein Spielball der Politik werden", so warnt der Münchner Jurist, Gründungs- und Managing Partner der Kanzlei Hambach & Hambach www.timelaw.de gegenüber HR 1.

Dass Kurt Beck keinen "Plan B" in der Tasche hat, könnte sich also noch rächen. Es sei denn, man betrachtet das Kieler Gesetz als einen solchen Plan B, auf den man nach der nächsten sicheren juristischen Ohrfeige aus Brüssel setzen kann. Doch mittlerweile ist die Diskussion über den Glücksspielstaatsvertrag so ideologisiert worden, dass das Umschwenken auf eine praxistaugliche Lösung à la Schleswig-Holstein von Beck und Co. offenbar als Gesichtsverlust gesehen wird. Dabei ist der Irrtum an sich nicht schlimm. Schlimm ist, wenn man sehenden Auges das erkennbar Falsche tut.


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"In Fragen der Innenpolitik beginnen die Mitgliedsstaaten, Deutschland eingeschlossen, erst langsam zu verstehen, dass Europa hier nach dem Vertrag von Lissabon Standards setzen kann", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), in einem anderen Zusammenhang.  Quelle

Deutschland als nicht wettbewerbsfähig bezeichnet

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Verbandschef Gauselmann kritisiert Regelungschaos in Deutschland
„Glücksspiel ganz freigeben“
Osnabrück. Der Streit um die Beschränkung von Glücksspielen in Deutschland geht in eine neue Runde. Die EU behält sich weiterhin vor, gegen den neuen Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags zu klagen, auf den sich die Mehrheit der Bundesländer geeinigt hat. Paul Gauselmann, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie (VDAI), fordert im Gespräch mit unserer Zeitung nun die Liberalisierung des Marktes.  weiterlesen


Sachsen will private Sportwetten erlauben
Das staatliche Monopol soll gelockert werden. 20 Glücksspiel-Lizenzen werden an private Anbieter vergeben. Doch Experten befürchten, dass damit die Spielsucht gefördert wird.

Das Monopol für Sportwetten, das bisher unter der Marke Oddset organisiert war, soll so schnell wie möglich aufgegeben werden. Stattdessen will der Freistaat gemeinsam mit den anderen Bundesländern 20 Lizenzen an private Anbieter vergeben. Außerdem sollen Lottospieler wieder im Internet tippen dürfen.

Kritisch äußerte sich der Leiter der Landesstelle gegen Suchtgefahren Olaf Rilke. „Für Glücksspielsüchtige ist das breitere Angebot an Sportwetten keine günstige Entwicklung“, sagt er. Dem Staat sei noch nie eine echte Kontrolle des Glücksspiels gelungen. weiterlesen

Glücksspielstaatsvertrag: Spielautomaten-Branche meldet sich zu Wort!
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Professor Peren tritt für Bestand der Branche ein
"Der Schaden wäre immens"
Franz Peren, Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg tritt in einem Interview mit einem Pokerportal für den Bestand des gewerblichen Spiels ein: "Wenn es das gewerbliche Geld-Gewinnspiel in Deutschland nicht geben würde, dann würde der Bundesrepublik unter dem Strich ein volkswirtschaftlicher Schaden entstehen, der mindestens vier Mal so groß wäre wie die Kosten, die derzeit durch die pathologischen Spieler dieser Branche verursacht werden. Mindestens - und das ist sehr, sehr konservativ gerechnet."   weiterlesen

Forscher kritisiert grün-rote Pläne zur Reduzierung von Spielhallen
Der Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel, Tilman Becker, hält die Pläne der grün-roten Landesregierung und der anderen Bundesländer zur Reduzierung von Spielhallen für unzureichend.
Dabei seien vor allem Gaststätten und Imbissbuden das Problem. Hier komme die Hälfte aller Jugendlichen erstmals mit dem Automatenspiel in Kontakt.  weiterlesen

Spielhallen und Regulierung
Workshop: Deutsche Spielhallen werden gesetzlich eingeschränkt
Stuttgart/Berlin, 29.3./8.4.2012. Der Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim, Tilman Becker, überraschte seine Gäste im Euroforum der Universität mit neuen Sitzpolstern auf den harten, streng angeordneten Holzbänken. Beim Glücksspiel dagegen „gibt es ein lustiges Durcheinander“, bemerkte Tilman Becker in seiner Eröffnungsrede zum Thema „Spielhallen und Regulierung“. Geschuldet sei dies der föderalen Staatsstruktur in Deutschland.
Der Sonderweg Schleswig-Holsteins gegen die 15 anderen Länder bedeute, so Becker, dass die Gesetzgebung nicht kohärent werde und nicht mit EU-Recht vereinbar sei.
Dem widersprach in der Podiumsdiskussion aus dem Publikum Martin Pagenkopf, von 1989 bis 2009 Richter am Bundesverwaltungsgericht (http://tinyurl.com/cy42dm4). Es sei eine Mär, dass die Kohärenz mit dem Europäischen Recht nicht gegeben ist. „Das stimmt nicht und wurde von Journalisten einfach verbreitet.“ Pagenkopf stellte klar, das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Beschluss vom 12. Februar 2012 offene Fragen des Kohärenzproblems benannt (Az. 8 B 91.11) über die erst noch entschieden wird (http://tinyurl.com/bn592au). 
Nach Ansicht von Robert Hess, Leiter Kommunikation der Schmidtgruppe, sei der „Sündenbock Automatenspiele ja gefunden“, aber die Probleme und Erkenntnisse beträfen „alle Marktteilnehmer“.   weiterlesen

„Euro-Vegas“
Der amerikanische Milliardär Sheldon Adelson will in Spanien ein Zockerparadies à la Las Vegas bauen.
„Euro-Vegas“ lockt mit Investitionen von 17 Milliarden Euro und der Schaffung von 200.000 Arbeitsplätzen.
So ging es in den Verhandlungen in Las Vegas neben der Suche nach dem idealen Ort - möglichst in Flughafennähe - um Steuervorteile, die Bändigung der Gewerkschaften und Ausnahmen vom Rauchverbot.   weiterlesen

Glücksspiel-Eldorado für Spanien - Las Vegas bald in Europa
Eine Tochter des US-Konzerns Las Vegas Sands eröffnet ein neues Kasino in Macau. Die frühere portugiesische Kolonie gilt als weltgrößtes Spieleparadies. Aber auch in Europa hat der Konzern Pläne. In Spanien soll Las Vegas neu entstehen. Das will sich der Konzern satte 35 Milliarden Dollar kosten lassen.
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Glücksspiel in den USA - Abgezockt
„Wie sieht’s aus, spielen wir noch eine Runde?“, fragte Don Johnson
„Tut mir leid, Sir“, sagte der Croupier des Cesar’s Casino von Atlantic City. „Wir haben leider keine Chips mehr.“  weiterlesen