Donnerstag, 10. Mai 2012

Die Zukunft der Glücksspielmärkte

in Deutschland und Europa: Konsistente Regulierung oder Monopolisierung?

Das Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten veranstaltete gestern im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Berlin ein Pressefachgespräch zum Thema:

Die Zukunft der Glücksspielmärkte in Deutschland und Europa

Konsistente Regulierung oder Monopolisierung?

Hier die wesentlichen Aussagen im Überblick:

Dr. Dirk Uwer, LL.M., Mag.rer.publ.
Rechtsanwalt, Hengeler Müller, Düsseldorf

Das glücksspielrechtliche Regulierungsversagen der Länder und die Konsequenzen für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag in europäischer Perspektive

Der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag (1. GlüÄndStV), der ab 1.7.2012 in allen Bundesländern mit Ausnahme Schleswig-Holsteins für 9 Jahre gelten soll, basiert auf System und Grundkonzeption des am 1.1.2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV). Auch der 1. GlüÄndStV wird wie der GlüStV rechtlich keinen Bestand haben, weil er das Glücksspielrecht nach wie vor nicht kohärent und systematisch an den (behaupteten) gesetzgeberischen Zielen ausrichtet. Er führt die unverhältnismäßigen und inkohärenten Beschränkungen des GlüStV fort und vertieft dabei noch das bestehende Defizit an adäquater Regulierung der Glücksspielmärkte.

Die Ministerpräsidentenkonferenz billigte zwar den Vertrag am 15.12.2011, stellte seine Ratifizierung jedoch unter den Vorbehalt einer "abschließenden positiven Stellungnahme der Europäischen Kommission im Notifizierungsverfahren" nach der technischen Richtlinie 98/34/EG. In der am 20.3.2012 bekannt gewordenen Stellungnahme verweigerte die Kommission - entgegen politisch motivierter Umdeutungen des Verdikts - eine solche positive Beurteilung. Ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen das europarechtswidrige deutsche Glücksspielrecht wäre sichere Folge der Ratifizierung des 1. GlüÄndStV.

Charakteristisch für die in weiten Teilen juristisch unzutreffende Begründung des Staatsvertragsentwurfs ist die Überbetonung des vom EuGH grundsätzlich anerkannten mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielraums bei gleichzeitiger Relativierung der primärrechtlichen Kohärenzanforderungen sowie der Geltungsansprüche des europäischen Unionsrechts insgesamt. Eine adäquate Regulierung der konvergenten europäischen Glücksspielmärkte kann so nicht gelingen. Der Bund sollte deshalb gegen einen solchen programmierten Rechtsverstoß einschreiten und die Regulierung der Glücks- und Gewinnspielmärkte insgesamt an sich ziehen. Nur durch eine bundeseinheitliche Regelung können die Glücksspielmärkte insgesamt kohärent und systematisch reguliert werden und kann die Funktionsfähigkeit der Rechts- und Wirtschaftsordnung im Glücksspielbereich wiederhergestellt werden.


Dr. Hubertus Bardt
Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Köln

Rechtfertigung staatlicher Eingriffe in den Glücksspielmarkt

Wettbewerb auf Glücksspielmärkten ist möglich und steht einem wirksamen Spielerschutz nicht entgegen. Im Gegenteil kann nur im Wettbewerb privater Anbieter ein attraktives und sicheres Spielangebot entwickelt werden, was ein Ausweichen der Spieler auf unkontrollierbare Internetangebote verhindern kann.


Frieder Backu
Rechtsanwalt, SSW Schneider Schiffer Weihermüller, München

Regulierung und Besteuerung von Online-Glücksspiel in Deutschland
  • Die bisherigen Regelungen konnten Online-Glücksspiel in Deutschland weder (be-) steuern, noch verhindern.

  • Eine Regulierung im Internet kann nur erfolgreich sein, wenn es Anbietern in einem wirtschaftlich akzeptablen Umfeld ermöglicht wird, ihren Kunden attraktive Angebote zu unterbreiten und wenn die Regelungen klar und eindeutig sowie unzweifelhaft mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar sind. Nur dann können die mit den Regelungen verfolgten Ziele (u.a. Kanalisierung, Spielerschutz, Besteuerung) sowie eine angemessene Regulierungsquote erreicht werden.

  • In Kombination mit den weiteren Einschränkungen des E-15-Modells (begrenzte Anzahl von Lizenzen, eingeschränktes Angebot, kein Online-Poker, kein Online-Casino) werden die Regulierungsziele erneut verfehlt werden, sofern nicht (auch bei den Steuern) erheblich nachgebessert wird.

Dr. Wulf Hambach
Rechtsanwalt, Hambach & Hambach, München

Lizenzmodell Schleswig-Holstein

Das schleswig-holsteinische Gesetzesmodell ist – im Gegensatz zu E-15 - nicht rein zufällig problemlos von Brüssel anerkannt worden. Vielmehr hat es sich ausgezahlt, dass sich die Gesetzgeber des nördlichen Bundeslandes bereits 2009 mit voller Kraft sich an die Erarbeitung des Glücksspielgesetzes gemacht haben. Zahlreiche Gespräche mit Vertretern anderer EU-Aufsichtsbehörden haben hier die Einsicht gebracht, dass insbesondere das Modell des unmittelbaren Nachbarn aus Dänemark von der EU Kommission anerkannt und damit die gegen das dänische Glücksspielmonopol 2004 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren im Jahre 2009 eingestellt werden konnten. Folgen die übrigen Bundesländer dem Bespiel Schleswig-Holsteins erlangen sie nach einem Jahrzehnt Rechtschaos endlich die Rechtssicherheit, die dieser sensible Bereich so dringend benötigt!


Prof. Dr. Dr. Franz W. Peren
Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten, Bonn

Online-Poker

Online-Poker ist in Deutschland sowie in weiten Teilen der EU bis dato nicht reguliert. Trotz dieses Verbots ist der deutsche Onlinepokermarkt der zweitgrößte Pokermarkt der Welt. Lassen die Bundesländer diesen Markt unreguliert, so würden diese Bürger auch in Zukunft in den Schwarzmarkt gedrängt und kriminalisiert werden. Dieses auch mit der Folge, dass pathologische Spieler nicht identifiziert werden und nicht suchtpräventiv kontrolliert werden können. Ein wirksamer Spielerschutz ist gegenwärtig ob der herrschenden Rechtslage nicht möglich. Der unkontrollierte Schwarzmarkt ermöglicht und fördert zudem die illegale Geldwäsche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Eine im Auftrag des TÜVs durchgeführte Studie definiert ein machbares Bewertungssystems für Glücksspielangebote mit dem Ziel, neutrale und standardisierte Prüfungen und ggf. Zertifizierungen zu ermöglichen. Dabei hat sich gezeigt, dass Online-Poker mit einem mittleres Risiko auf einer 5er-Skala zu bewerten ist und damit in der gleichen Risikoklasse wie bspw. Sportwetten liegt.


Das gewerbliche Geld-Gewinnspiel in Deutschland.
Eine Kosten-Nutzen-Analyse.

Der gesellschaftliche Nutzen des gewerblichen Geld-Gewinnspiels für die Bundesrepublik Deutschland ist etwa viereinhalb bis sechs Mal höher als die hierdurch generierten sozialen Kosten.

Soziale KostenSozialer NutzenSozialer Nutzen > Soziale Kosten
225 - 300 Mio. €1.370 Mio. €1 : 4,6 bis 6,1
Jährliche Kosten-Nutzen-Relationen des gewerblichen Geld-Gewinnspiels in Deutschland

Die Kosten des pathologischen Glücksspiels liegen – entgegen anderen aktuellen Behauptungen - weit unter jenen Wohlfahrtskosten, welche durch Alkohol- und Tabakmißbrauch entstehen. Alleine die volkswirtschaftlichen Lasten infolge des Rauchens dürften in Deutschland mindestens bei 40 Mrd. € liegen. Wir reden hier entsprechend über eine vollkommen andere Größenordung, da die sozialen Kosten für sämtliche Glücksspiele im Jahr in Deutschland unter 350 Mio. € betragen.

Besucht wurde die Veranstaltung von staatlichen als auch von privatwirtschaftlichen Experten der deutschen Glücksspielwirtschaft aus dem gesamten Bundesgebiet.

Das Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten beschäftigt sich seit 2006 interdisziplinär mit wissenschaftlichen Fragestellungen und Gutachten zu Glücksspielen, Wetten und Sportwetten aus ökonomischer, rechtlicher, medizinischer, psychologischer, sozialwissenschaftlicher und mathematischer Sicht. Seinem Beirat gehören Wissenschaftler und Praktiker mit langjähriger, fachlicher Expertise auf diesen Gebieten an. Sie stellen dem Forschungsinstitut ihre Expertise unentgeltlich und unabhängig zur Verfügung.

Quelle: Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten

Glücksspielexperten in Berlin
„Spielhallenregelungen verfassungswidrig“

Bei dem Termin im Berliner Bundespresseamt unterstrich Rechtsanwalt Dr. Dirk Uwer (Hengeler Mueller), dass die spielhallenbezogenen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages sowie die Spielhallengesetze der Länder seiner Auffassung nach schon formell verfassungswidrig seien, weil den Ländern dafür die Gesetzeskompetenz fehle.

Regelungen wie umfassende Werbeverbote, Abstandsregelungen und das Verbot von Mehrfachkonzessionen würden auf bundesweit einheitliche Begrenzungen abzielen. Damit fehle ihnen jeder lokaler Bezug zu konkreten Standorten, der aber die Voraussetzung für ein diesbezüglich rechtmäßiges Handeln der Länder darstelle.

Die Regelungen seien aber auch materiell verfassungs- und unionsrechtswidrig, weil die Länder die Konstruktionsfehler des bestehenden Glücksspielrechts auf das bundesrechtlich gut regulierte gewerbliche Spiel ausweiten und einem glücksspielrechtlichen Regelungsregime unterwerfen würden.

Glücksspielexperte Dr. Wulf Hambach stellte heraus, dass sich der Vorwurf der mangelnden wissenschaftlichen Grundlage für die Glücksspielregulierung wie ein roter Faden durch das Schreiben der EU-Kommission zum 1. Glücksspielstaatsvertrag ziehe.

„Fast ein Prozent der Internetnutzer spielen in Deutschland Poker.“ Peren befürchtet, dass die Weigerung der Länder, dieses Thema positiv anzugehen und zeitgemäß zu regulieren, immer mehr Bürger zum illegalen Spiel in den Schwarzmarkt dränge und sogar kriminalisiere.  Quelle