Donnerstag, 31. Mai 2012

NRW: Dienstag soll der Glücksspielstaatsvertrag beschlossen werden

Heute konstituiert sich der 16. Landtag in NRW.
Es kommen die 237 Abgeordneten zu ihrer ersten Sitzung im Düsseldorfer Plenum zusammen.

Am Dienstag müssen bereits die ersten Gesetze – Staatsvertrag über die Gründung einer gemeinsamen Klassenlotterie der Länder, Hilfen für Blinde und Gehörlose, Restrukturierung der Westdeutschen Landesbank, Glücksspielstaatsvertrag – beschlossen werden, weil Fristen drängen.
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update:
Landtag NRW:
Glücksspieländerungsstaatsvertrag / Spielbankgesetz NRW
Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland
(Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - Erster GlüÄndStV)
Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 16/
Vorlage 15/2004  (pdf-download)

Glücksspielstaatsvertrag - NRW verschiebt Beratungen weiterlesen

Ob sie wissen was sie tun ?

Die Länder sind bereits zweimal – vor dem Bundesverfassungsgericht 2006 und dem Europäischen Gerichtshof 2010 – gescheitert, weil sie die angeführte Suchtbekämpfung nicht zur tatsächlichen Leitschnur des Glücksspielrechts gemacht haben, sondern inkohärent blieben. Ein drittes Scheitern können sich die Länder nicht leisten.

Ob sie wissen ein unzulässiges Kartell zu gründen ?


Biedenkopf: Länder bilden unzulässiges Kartell
- Rede anlässlich der Eröffnung der IMA 2011 -
Die Neufassung des Glücksspielstaatsvertrages durch die Bundesländer zur Sicherung des Glücksspielmonopols ist nach der Einschätzung von Professor Dr. Kurt Biedenkopf "ein Kartellvertrag". weiterlesen
Neuer Glücksspielstaatsvertrag: Marktbeherrschende Stellung für die Ländergesellschaften?
- Dachanstaltsmodell der Bundesländer und so genannte Experimentierklausel stoßen auf kartellrechtliche Bedenken  weiterlesen

"Es war und ist ein Fiskal-Monopol. Es dient nicht, wie immer behauptet wird, der Spielsuchtbekämpfung. Der Staat nutzt es allein zur Erzielung von Einkünften."
(so Prof. Rupert Scholz, focus 13.09.2010) (Pressemitteilung Nr: 78/10 des EuGH) 

Ob ihnen die Stellungnahme der Kommission bekannt ist ?


Zur Mitteilung der Europäischen Kommission im Notifizierungsverfahren NR. 2011/188/D

Eine Kurzanalyse von Rechtsanwalt Martin Arendts
EU-Kommission weist Glücksspielstaatsvertrag erneut zurück
Die EU-Kommission die 15 Bundesländer in ihrer heutigen Stellungnahme diplomatisch, aber sehr bestimmt in mehreren Punkten kritisiert.

Die EU-Kommission ist dem Eindruck entgegengetreten, sie habe keine Bedenken mehr beim neuen Glücksspielstaatsvertrag von 15 deutschen Bundesländern. «Wir haben keinen Blankoscheck, kein restloses grünes Licht gegeben», sagte der verantwortliche Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Mittwoch auf Nachfrage in Brüssel.  weiterlesen

Europäische Kommission:
Zwei Vertragsverletzungsverfahren (IP/06/436 und IP/08/119) gegen Deutschland.
Ein Drittes könnte bald hinzukommen. Studie über Glücksspiele



Die europäische Rechtsprechung gibt grob gesagt vor, dass gesetzliche Regulierungen im Glücksspielgeschäft nur dann zulässig sind, wenn der Staat ein höheres Ziel verfolgt; sonst muss der Markt für alle frei gegeben werden.
Die Bevölkerung vor den Gefahren der Spielsucht zu schützen ist dieses höhere Ziel, das Bund und Länder vorgeben. Aber wie geht das? Indem man Spielangebote möglichst erst gar nicht macht, sagen die einen. Indem man den Trieb der Menschen kanalisiert und sie in beaufsichtigte Spielstätten holt, so dass sie nicht in die Illegalität von Hinterzimmern oder des Internets anwandern müssen. Das sagen die anderen. weiterlesen

Ob ihnen die Stellungnahmen bedeutender Verfassungs- und Europarechtler bekannt sind ?


Staatsrechtler
halten den "neuen" Glücksspielstaatsvertrag erneut für rechtswidrig !
Der Glücksspielstaatsvertrag soll Suchtgefahren eindämmen!  weiterlesen

Ob sie wissen, dass aus der Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts kein Nutzen gezogen werden darf. 123  EuGH, Urt. v. 5.4.1979 Rs. 148/78 Ratti, Slg. 1979, 1629 ff. (1642, Tz.22) weiterlesen


Ob sie wissen, dass kein ausreichendes Suchtpotenzial festgestellt wurde ?


Die von der Stadt Frankfurt beschlossene Regelung, sei nicht mit dem "Grundrecht auf Berufsfreiheit der Spielhallenbesitzer" vereinbar, das entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof. weiterlesen

Ob sie wissen, dass der Staat detailliert nachweisen muss, dass Monopole erforderlich sind und diese streng zu überwachen sind.
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Die EU-Kommission weist die Bundesländer darauf hin, dass ein Mitgliedsstaat der EU belastbare Beweise vorbringen muss, wenn er eine Beschränkung einer Dienstleistung durchsetzen will. Die Bundesländer hätten nicht überzeugend dargelegt, dass Online-Poker und Casino-Spiele besonders süchtig machten und der Geldwäsche dienen könnten. Die Beweise dafür müssten sie nun erbringen.  weiterlesen

Mit der Einführung des neuen Eurojackpot wird die Notwendigkeit eines Monopols konterkariert!


Ob ihnen die staatliche Tricksereien beim Glücksspiel bekannt sind ?

Bereits im September 2010 wurde öffentlich:
Länder fälschten Gutachten, um Glücksspielmonopol zu erhalten
 
Automatenwirtschaft fordert Entschuldigung
Stuttgarter Nachrichten enthüllen fragwürdiges Vorgehen der Innenministerkonferenz  weiterlesen


Diese Vorkommnisse zeigen, dass die Gewaltenteilung nicht funktioniert – wenn, zum Erhalt eines gemeinschaftsrechtswidrigen Monopols in Form eines unzulässigen Kartells, aus fiskalischen Gründen Ergebnisse bestellt werden !

Ob die Abgeordneten die Rechtsprechung des EuGH kennen ?

Nationale Regelungen, die - wie das in Frage stehende Sportwettenmonopol - die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 49 EG) beschränken, sind nur unter vier Voraussetzungen zulässig:
  • Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden,
  • sie müssten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen,
  • sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und
  • sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
(Eine Beschränkung ist nur bei Einhaltung aller vier Voraussetzungen zulässig)
vgl. dazu: EuGH vom 23.10.1997 - C-189/95 (Lexezius) - Rdnr. 42, Urteil vom 26.10.2006 - C-65/05 - Rdnr. 49 und Urteil vom 05.06.2007 - C-170/04 (Rosengren); BVerwG Urteil vom 1.5.2011- 8 C 2.10; Rn. 40

Es gibt klare Vorgaben an den Gesetzgeber, das nationale Recht an die vom EuGH formulierten Bedingungen anzupassen.Aus Einnahmegründen werden die Bereiche am stärksten reglementiert, von denen die geringsten bzw. keine Suchtgefahren ausgehen, während Glücksspiele mit höherem Suchtgefahren von privaten angeboten werden dürfen. Beschränkungen der Grundfreiheiten im Bereich des Glücksspiels müssen effektiv dem Ziel dienen die Gelegenheiten zum Spiel tatsächlich zu vermindern, und nicht dazu, eine Finanzierungsquelle zu erschließen.  (vgl. EUGH Carmen Media Group Ltd. Rn 71)


"Im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV (ex-Art. 234 EGV) entscheidet der EuGH weder über die Gültigkeit oder die Auslegung mitgliedstaatlicher Rechtsnormen, noch stellt er deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht fest (vgl. Prof. Bernd Hecker - Europäisches Strafrecht , 3. Auf., § 6 Rdnr. 11).Vielmehr gibt er (nur) 'Hinweise' auf der Grundlage des Sachverhalts, wie ihn die Gerichte vorgelegt haben, um diesen eine Auslegung des nationalen Rechts ohne Verstoß gegen Unionsrecht zu ermöglichen. Ein Verstoß führt dabei wegen des Vorrangs des Unionsrechts zwingend zur Nichtanwendbarkeit des nationalen Rechts. Diese Hinweise des EuGH sind bindend für Behörden, Gerichte und den Gesetzgeber. Die Hinweise in den Urteilen vom 8. 9. 2010 haben es in sich!  PM Nr: 78/10 des EuGH

z.B.:  EuGH: Engelmann Rs. C 64/08
23 Viertens weist das Gericht auf das aktive Streben der nationalen Behörden nach Einnahmen aus dem Spielbankabgabeaufkommen hin. Dies stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der Beschränkungen der Grundfreiheiten im Bereich des Glücksspiels effektiv dem Ziel dienen müssten, die Gelegenheiten zum Spiel tatsächlich zu vermindern, und nicht dazu, eine Finanzierungsquelle zu erschließen.
34 Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine Beschränkung wie die hier festgestellte, soweit sie eine Diskriminierung darstellt, nur dann mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn sie einer ausdrücklichen Ausnahmebestimmung wie Art. 46 EG zugeordnet werden kann, d. h. der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Urteile vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien, C 388/01, Slg. 2003, I 721, Randnr. 19, und vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien, C 153/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37).

35 Außerdem muss eine solche Beschränkung den Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben, und kann nur dann als geeignet angesehen werden, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C 42/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 59 bis 61).

47 Was die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Beschränkung mit dem Unionsrecht angeht, so können die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit als fundamentale Grundsätze des Vertrags nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten. Ferner ist die fragliche nationale Regelung nur dann gerechtfertigt, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 9. März 2006, Kommission/Spanien, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51 Die ohne jede Transparenz erfolgende Vergabe einer Konzession an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, dem der öffentliche Auftraggeber zugehört, stellt eine Ungleichbehandlung zum Nachteil von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern dar, die keine reale Möglichkeit haben, ihr Interesse an der fraglichen Konzession zu bekunden. Eine derartige Ungleichbehandlung verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und stellt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nach den Art. 43 EG und 49 EG verboten ist, sofern sie nicht aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Coname, Randnr. 19, Parking Brixen, Randnr. 50, und vom 17. Juli 2008, ASM Brescia, C 347/06, Slg. 2008, I 5641, Randnrn. 59 und 60).

54 Besteht in einem Mitgliedstaat eine Regelung über die Erteilung von Genehmigungen, mit der rechtmäßige, von der Rechtsprechung anerkannte Zwecke verfolgt werden, kann eine solche Regelung keine Ermessensausübung der nationalen Behörden rechtfertigen, die geeignet ist, den Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere wenn sie Grundfreiheiten wie die im Ausgangsverfahren fraglichen betreffen, ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen (vgl. u. a. Urteile Sporting Exchange, Randnr. 49, und Carmen Media Group, Randnr. 86).  Quelle

Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind. ( EuGH-Urteil Rs. C-72/10 und C 77/10 Costa u.a. Rn 81)


Richtlinienkonforme Auslegung:
Im Zuge einer immer stärker werdenden Europäisierung des Rechts basieren viele Rechtsvorschriften auf einer EU-Richtlinie bzw. EU-Verordnung. Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 AEUV verpflichtet, zur Durchführung einer EU-Richtlinie erlassene Gesetze unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (BGH 09.04.2002 - XI ZR 91/99). Quelle
Für Juristen und sonstige Genießer: Details zum Glücksspielstaatsvertrag vom 15.06.2011

Die FAZ hat es auf den Punkt gebracht:

In wohl keinem anderen Bereich haben sich die Bundesländer so unverhohlen gegen die breitgestreuten rechtlichen Bedenken gestellt, die das Bundesverfassungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht und der Europäische Gerichtshof geäußert haben."  Quelle

Es gibt wohl nur wenige politische Debatten, die derart verlogen geführt ­werden wie jene um Gesetze zum Glücksspiel.   weiterlesen

Österreich:

Neues Glücksspielgesetz - rechtswidrige Manipulationen im behördlichen Auftrag ?

Es stellt sich die Frage, welche Grundrechte als nächste aus finanziellen Interessen preisgegeben werden.


weitere EuGH-Urteile und BVerfG Entscheidungen