Mittwoch, 30. Mai 2012

OVG Rheinland-Pfalz hebt Untersagungen auf


OVG Rheinland-Pfalz hebt Untersagungen gegen Wettvermittler erstmals mit Wirkung für die Zukunft auf
 Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes
Das OVG Rheinland-Pfalz hat in zwei von der Kanzlei Kuentzle Rechtsanwälte geführten Verfahren mit Urteilen vom 15.5.2012 (6 A 11452/11.OVG, 6 A 11455/11.OVG) mit Wirkung für die Zukunft Untersagungsverfügungen aufgehoben, die die Stadt Mainz im Jahre 2007 gegen Vermittler von Sportwetten des maltesischen Wettunternehmens Tipico Co. Ltd. erlassen hatte. Zugleich hat das Gericht festgestellt, daß die Verfügungen bis jetzt rechtswidrig gewesen sind.

In seiner bisherigen Hauptsacherechtsprechung hatte das OVG Rheinland-Pfalz bislang lediglich die Rechtswidrigkeit von Untersagungsverfügungen für Zeiträume bis Anfang 2010 festgestellt (Urt. v. 13.3.2012, 6 A 11385/11.OVG), nie jedoch Untersagungsverfügungen aufgehoben. In Eilverfahren entschied das Gericht seit 2009 in ständiger Rechtsprechung gegen die Vermittler und hatte die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügungen zuletzt damit begründet, die Vermittlungstätigkeiten seien weder von einer gültigen Vermittlungserlaubnis abgedeckt noch offensichtlich erlaubnisfähig. Mit entsprechender Begründung hatten die Verwaltungsgerichte Trier und Neustadt/W. im letzten Jahr Anfechtungsklagen gegen Untersagungsverfügungen abgewiesen, wobei Anträge auf Berufungszulassung noch bis in die jüngste Zeit abgelehnt worden waren, so daß die erstinstanzlichen Urteile, die die Rechtmäßigkeit des behördlichen Vorgehens bestätigen, Rechtskraft erlangt haben.

Demgegenüber hatte das Verwaltungsgericht Mainz mit Gerichtsbescheiden vom 25.11.2011 (u.a. 6 K 1651/11.MZ) Untersagungsverfügungen aufgehoben. Die hiergegen eingelegten Berufungen blieben nunmehr erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen, jedoch bleibt dem Land noch die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde.

Die beiden zugunsten der Vermittler entschiedenen Fälle sind dadurch gekennzeichnet, daß die Ausgangsbescheide aus 2007 datieren und die Widerspruchsbescheide vom Oktober 2008. Das Oberverwaltungsgericht bestätigt zunächst seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Untersagungsverfügungen und Widerspruchsbescheide schon im Hinblick auf das Werbeverhalten der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH rechtswidrig erlassen worden sind. In Abkehr von seiner bisherigen Eilrechtsprechung, u.a. im Beschluß vom 30.12.2010, 6 B 11237/10.OVG, n.v. (Vorinstanz VG Mainz, Beschl. v. 9.11.2010, 6 L 1089/10.MZ), vertritt das OVG nunmehr die Auffassung, die neue Begründung, der Sportwettveranstalter bzw. -vermittler biete Sportwetten ohne Erlaubnis sowie unter Verstoß gegen das Live-Wetten-Verbot und das Internetverbot an, unterscheide sich so erheblich von der im Widerspruchsbescheid bekräftigten ursprünglichen Erwägung, das Sportwettmonopol stehe einer erlaubten privaten Sportwettvermittlung entgegen, daß von einer noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässigen Ergänzung von Ermessenserwägungen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO nicht gesprochen werden kann. Vielmehr spiele der ursprünglich entscheidungstragende Ermessensgesichtspunkt des Sportwettmonopols keine Rolle mehr. Er werde durch die Begründung ersetzt, nach Eröffnung des Genehmigungsverfahrens könne eine Erlaubnis erlangt werden, deren Voraussetzungen seien aber nicht dargelegt bzw. nicht erfüllt.

Das OVG Rheinland-Pfalz hat sich nunmehr im Ergebnis der Linie des Oberverwaltungsgerichts NRW (u.a. Urt. v. 10.1.2012, 4 A 3362/07) und des Bayer. VGH (Urt. v. 24.1.2012, 10 BV 10.2665) angeschlossen, die eine Heilung von rechtswidrig auf das Wettmonopol gestützten Untersagungsverfügungen für ausgeschlossen erachtet haben (im Eilverfahren in die gleiche Richtung auch der VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.8.2011, 6 S 1695/11).

Diese Begründung läßt sich auf die (zahlenmäßig weit überwiegenden) Fälle, in denen vor September 2010 noch keine Widerspruchsbescheide ergangen sind, nicht ohne weiteres übertragen. Interessant ist allerdings die zusätzliche Begründung, es liege auch insoweit ein Ermessensdefizit vor, als der Beklagte die Genehmigungsfähigkeit der Sportwettvermittlung wegen der vom Wettveranstalter (Tipico) angebotenen Internet- und Live-Wetten verneinte, dabei aber unberücksichtigt ließ, daß die Landesregierung dem Landtag Rheinland-Pfalz einen Gesetzentwurf zugeleitet hat, der am 1. Juli 2012 in Kraft treten soll und Erlaubnisse für Internetwetten sowie Livewetten auf das Endergebnis vorsieht. Bisher verfolgen noch eine Reihe Behörden, so zuletzt auch wieder im Saarland, die Strategie, die (ihrer Art nach erlaubnisfähige) terrestrische Sportwettvermittlung allein mit der Begründung zu untersagen, es würden Wetten von Veranstaltern vermittelt, die auch Internet- und Live-Wetten anbieten. Da gleichzeitig gegen die Internet-Wettangebote selbst im Vorfeld der Neuregelung oftmals nur noch halbherzig oder überhaupt nicht (mehr) vorgegangen wird, wirkt sich das Internet-Verbot faktisch nur im terrestrischen Bereich aus. Indem die Behörden unter Berufung auf das Internetverbot (!) den Wettinteressierten die Möglichkeit nehmen (so derzeit vor allem in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz), in einer der Art nach unbedenklichen Form in terrestrischen Wettvermittlungsstellen ihre Wetten zu plazieren, werden die Kunden den Internetanbietern regelrecht in die Arme getrieben.

Es gilt zu hoffen, daß in den letzten Wochen bis zur Neuregelung terrestrische Wettvermittler nicht weiter als Sündenböcke für Geschäftsmodelle Dritter herhalten müssen, die zwar juristisch immer noch (für ein paar Wochen) erlaubnisunfähig sein mögen, politisch jedoch längst akzeptiert sind. Es ist ohnehin für kaum jemanden nachvollziehbar, wieso bei nahezu identischer Gesetzeslage in bestimmten Bundesländern die terrestrische Wettvermittlung bis heute rigoros unterbunden wird, während sie im weit überwiegenden Teil des Staatsgebietes von den Glücksspielaufsichtsbehörden faktisch hingenommen wird.
Kontakt:
Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes
Kuentzle Rechtsanwälte
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