Mittwoch, 20. Juni 2012

VG Potsdam gibt Klage von Sportwettvermittler statt

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat im Anschluss an zahlreiche andere Entscheidungen unterschiedlichster Verwaltungsgerichte bundesweit in einem durch die Kanzlei Bongers geführten Klageverfahren der Klage gegen einen Untersagungsbescheid hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten stattgegeben. Der Bescheid der Behörde wurde aufgehoben. Die Klägerin hatte in ihrer Spielhalle Sportwetten über einen Wettterminal an einen lizenzierten Veranstalter in Malta vermittelt. Diese Tätigkeit war der Klägerin bereits 2007 untersagt worden. Das Verwaltungsgericht hat nunmehr unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 08.09.2010 festgehalten, dass das staatliche Wettmonopol gemeinschaftswidrig ist und war. Das Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung im Lande Brandenburg trage nicht effektiv dazu bei, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern und die Tätigkeit in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Die Regelungen in anderen Glücksspielbereichen, wie z. B. dem gewerblichen Automatenspiel wurden in der Vergangenheit sogar gelockert. Gleichzeitig ist ein Sportwettmonopol verankert worden, für welche es folgerichtig keine Rechtfertigung gibt. Das Gericht hat dabei eine Prüfung des gesamten Glücksspielbereiches in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen.

Daneben stellt das Gericht fest, dass die zuständigen Behörden / Lotteriegesellschaften eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeit geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben würden, aus der sich das Bestreben ergäbe, die aus dieser Tätigkeit fließenden Einnahmen zu maximieren.

Die durch die öffentliche Hand veranstaltenden Glücksspiele würden offensichtlich beworben.

Die Werbung diene erkennbar nicht dem Zweck der Kanalisierung und bloßen Befriedigung des natürlichen Spieltriebes, sondern schaffe vielmehr gerade Anreize zur Spielteilnahme.

Das Gericht zitiert dann umfassend aus Werbung der Lotteriegesellschaft in Brandenburg, aus Werbung der Spielbank Potsdam, wobei auch konkrete Produkte der Lottogesellschaft des Landes Brandenburg angeführt werden, wie z. B. das Produkt L-Dorado.

Das Gericht weist zutreffend auch auf die Homepage des deutschen Lotto- und Totoblocks, auf der augenfällig und farblich hervorgehoben auf die aktuellen Jackpots verwiesen werde. Zahlreiche weitere Werbebeispiele des deutschen Lotto- und Totoblocks werden im Urteil ausgeführt.

Das Gericht stellt abschließend fest, dass auch § 284 StGB nicht angewandt werden kann, weil es sich um eine verwaltungsakzessorische Strafnorm handelt, die man nicht anwenden kann, wenn gar nicht die Möglichkeit zu einer Erlaubniserteilung für privatrechtliche Wettvermittler bestehe.

Gegenteilige Eilentscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg sieht das Gericht als überholt an.

Das Urteil ist nach diesseitiger Kenntnis zwischenzeitlich rechtskräftig geworden. Es schließt sich nahtlos an Entscheidungen von geschätzten 35 Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten bundesweit an, die nunmehr nahezu einheitlich die Gemeinschaftswidrigkeit des staatlichen Wettmonopols festgestellt haben.

Kontakt:
Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Rechtsanwalt Guido Bongers
Ludwigstr. 12
D - 61348 Bad Homburg


Urteil (6 K 936/08) VG Potsdam 6. Kammer s.u.

Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages

Anmerkungen zum Online-Verbot gem. § 4 Abs. 4 GlüStV

Mehr zum Unionsrecht

Das OVG NRW hat sich mit dem Urteil (4 A 17/08) vom 29.09.2011 ausführlich mit der Werbepraxis der staatlichen Glücksspielanbieter auseinandergesetzt und unter der Rn 49 festgestellt:
"Die Monopolregelung ist schon wegen der Werbepraxis der Monopolträger nicht geeignet, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele zu erreichen."
(vgl. OVG Koblenz vom 13.03.2012) Wirtschaftswissenschaftler kritisiert Eurojackpot
Den Ländern geht es beim staatlichen Wettmonopol nicht vorrangig um den Verbraucherschutz. Sie versuchen nicht nur eine traditionelle staatliche Einnahmequelle aufrechtzuerhalten, sondern vielmehr das Glücksspiel-Monopol weiter auszuweiten.


Staatliche Betreiber versuchen zur Einnahmeerhöhung mit immer neuen Produkten ihren Markt auf neue Verbrauchergruppen auszudehnen (erst 2009 eingestellte Minuten - Jugend-Internet-Lotterie QUICKY, Tageslotterie-KENO, Lotto am Mittwoch, Oddset, Toto, Super 6, Glücksspirale, Sofortlotterie-Rubbellose, BINGO und ab 23.03.2012 der neue Eurojackpot mit einer Gewinnsumme bis 90 Mio €) anstatt einer solchen Ausweitung entgegenzuwirken, wie es in den politischen Zielen der Gesetzesmotive zu § 284 StGB (Deutscher Bundestag, Drucksache 13/8587) nachzulesen ist.


"Eine wirksame Kontrolle der Lottogesellschaften durch die Aufsichtsbehörden ist nach wie vor nicht ersichtlich, obwohl die Oberlandesgerichte München, Oldenburg, Koblenz, Brandenburg, Frankfurt/Main, Hamm und das Kammergericht in Berlin bereits deutlich machten: "Jede zur Absatzförderung geeignete Äußerung über Lotterien und Sportwetten erfüllt den Tatbestand der Werbung. Jackpotbanner, Darstellungen von Annahmestellen, virtuelle Spielscheine, Ankündigungen zu Mehrwochenspielscheine für die Urlaubszeit, Mitteilungen über neue Rubbellose oder Sonderauslosungen sind danach verboten.......Aber trotz dieser eindeutigen Urteile schreiten die staatlichen Glücksspielaufsichtsbehörden offensichtlich in keinem Bundesland gegen die Lottogesellschaften ein." Quelle: GIG-Verband  mehr



Gericht:    VG Potsdam 6. Kammer
Entscheidungsdatum:    27.03.2012
Aktenzeichen:    6 K 936/08
Dokumenttyp:    Urteil     
Normen:    Art 56 AEUV, § 21 GlSpielWStVtr, § 4 Abs 1 GlSpielWStVtr, § 4 Abs 4 GlSpielWStVtr, § 13 Abs 1 OBG BB
Quelle

Leitsatz
1. Das Staatliche Glücksspielmonopol lässt sich im Land Brandenburg angesichts seiner derzeitigen Ausgestaltung europarechtlich nicht rechtfertigen.

2. Das Aufstellen von Cashpoint-Automaten in Spielhallen verstößt nicht gegen das Internetverbot.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landrates des Landkreises Teltow-Fläming vom 15. April 2008 wird für die Zukunft aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Betreiberin einer in der Stadt ... belegenen Spielhalle. In dieser bietet sie verschiedene Glücksspielmöglichkeiten an. Unter anderem befanden sich in den Geschäftsräumen der Klägerin bis zum Erlass des angegriffenen Bescheides Internetterminals mit Geldeinwurfmöglichkeit. Diese sind so programmiert, dass der Benutzer nach dem Verlassen des Bildschirmschoners automatisch auf die Internetseite des Wettanbieters „Cashpoint (Malta) Ltd.“ gelangt. Dort können Sportwetten platziert werden. Diese Wettmöglichkeit hatte die Klägerin in und vor ihrem Ladenlokal eigens beworben.
2
Am 21. Februar 2007 stellten Mitarbeiter des Beklagten im Rahmen einer Kontrolle der Spielhalle die oben genannten Cashpoint-Automaten fest. Ausweislich des hierüber gefertigten Protokolls wurde dabei verfügt, die Geräte auszuschalten und entsprechende Werbungen zu entfernen. Gleichzeitig wurden die Geräte versiegelt und die sofortige Vollziehung angeordnet.
3
Mit schriftlicher Ordnungsverfügung vom 28. Februar 2007, zugegangen am 2. März 2007, gab der Beklagte der Klägerin auf, das gegenständliche „Sportwettgerät“ aus dem Geschäftslokal zu entfernen und die in der Spielhalle befindliche Werbung für Sportwetten und die Außenwerbung „Cashpoint“ ebenfalls zu entfernen. Hiergegen erhob die Klägerin am 19. März 2007 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid des Landrates des Landkreises Teltow-Fläming vom 15. April 2008 zurückgewiesen wurde.
4
Am 19. Mai 2008 hat die Klägerin den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids im Wege der gegenständlichen Anfechtungsklage angegriffen. Am 5. April 2007 hatte die Klägerin zuvor beim erkennenden Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Mit Beschluss vom 23. Oktober 2007 zum Aktenzeichen VG 3 L 244/07 lehnte das Gericht den Antrag ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 zum Aktenzeichen OVG 1 S 177.07 zurück, da das Angebot der Cashpoint-Automaten illegales Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB sei und verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen das Glücksspielmonopol nicht bestünden.
5
Die Klägerin beantragt,
6
den Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landrates des Landkreises Teltow-Fläming vom 15. April 2008 für die Zukunft aufzuheben.
7
Der Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und den beigezogenen Behördenvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid erweist sich unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtwidrig und verletzt die Klägerin somit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
11
Die Untersagungsverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides stützt sich auf § 13 des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Brandenburg (OBG Bbg) und insoweit auf eine dem Grunde nach taugliche Ermächtigungsgrundlage. Hiernach kann die Ordnungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Indes fehlt es vorliegend an der vom Beklagten seiner Entscheidung zugrunde gelegten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
12
Der Beklagte sieht in der Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form eines Verstoßes gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches und landesrechtlicher Vorschriften. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass der gegenständlichen Veranstaltung beziehungsweise Vermittlung von Sportwetten durch die Klägerin keine Genehmigung zugrunde liegt. Nach dem derzeit geltenden Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), dem der Landesgesetzgeber mit dem Glücksspielgesetz des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2007 (GVBl. I S. 218) zugestimmt hat, bedürfte die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspiel durch die Klägerin der Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 GlüStV). Die Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten durch die Klägerin wäre nach den Regelungen des GlüStV jedoch nicht erlaubnisfähig. Anderen Personen als juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, kann eine Erlaubnis zur Veranstaltung oder Vermittlung von Glücksspiel nur nach den Vorschriften des dritten Abschnittes des GlüStV erteilt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV). Sportwetten unterfallen jedoch nicht dem dritten Abschnitt (Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial), sondern sind ausdrücklich im fünften Abschnitt, dort in § 21, geregelt und damit der Erlaubnisfähigkeit für die Klägerin entzogen. Die Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten war auch im Zeitpunkt der angegriffenen Behördenentscheidung nach § 3 des Lotterie- und Sportwettengesetzes des Landes Brandenburg in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung (vom 17. Dezember 2003, GVBl. S 298, 306; LottG a. F.) weder erlaubt, noch erlaubnisfähig (§ 8a iVm. § 4 Abs. 3 LottG a. F.). Eine Erlaubnis konnte nach § 4 Abs. 3 LottG a. F. nur einer Person des privaten Rechts erteilt werden, deren Anteile dem Land Brandenburg gehörten. Dies ist und war bei der durch die Klägerin betriebenen Spielhalle nicht der Fall.
13
Allerdings lässt sich das staatliche Monopol europarechtlich nicht (mehr) rechtfertigen, so dass auch kein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit vorliegt.
14
Zwar kann den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 8. September 2010 (u. a. Az.: C-409/06 [Winner Wetten GmbH]; C-46/08 [Carmen Media Group Ltd.]) – die dem Beklagten und der Widerspruchsbehörde im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides naturgemäß nicht bekannt sein konnten und auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidungen im Eilrechtschutzverfahren noch nicht ergangen waren – nicht die Aussage entnommen werden, dass das staatliche Monopol in seiner derzeitigen rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung gegenstandslos sei. Zu einer solchen Feststellung wäre der Europäische Gerichtshof in den zugrunde liegenden Vorlageverfahren nach Art. 177 EGV nicht befugt gewesen, da Verfahrensgegenstand lediglich die Auslegung des Europäischen Rechts, nicht aber die Feststellung der Vereinbarkeit nationaler Regelungen mit dem Europäischen Recht war. Die vorstehende Ansicht wird, soweit ersichtlich, in der gesamten OVG-/VGH-Rechtsprechung, die seit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 8. September 2010 ergangen ist, geteilt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Dezember 2010, Az.: 6 B 11013/10 [Juris]; OVG Nordrhein-Westfalen ZfWG 2010, 456; OVG Lüneburg ZfWG 2010, 430; OVG Berlin-Brandenburg ZfWG 2010, 427; VGH Baden-Würtemberg, Beschluss vom 20. Januar 2011, Az. 6 S 165/10 [Juris]; VGH München, Beschluss vom 21. März 2011, Az.: 10 AS 10.2499 [beck-online]). Auch aus den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010, betreffend die Verfahren BVerwG 8 C 13.09; 8 C 14.09; 8 C 15.09 [Juris], folgt nichts Gegenteiliges.
15
Jedoch hat der Europäische Gerichtshof erhebliche und nachvollziehbare Zweifel daran geäußert, dass das staatliche Glücksspielmonopol in seiner konkreten Ausgestaltung vor Art. 49 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV, nunmehr Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union) europarechtskonform ist. Er führt aus, „dass Art. 49 EGV dahingehend auszulegen (ist) dass, wenn ein regionales staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien errichtet wurde, mit dem das Ziel verfolgt wird, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, und ein nationales Gericht sowohl feststellt, dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch, dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren, das nationale Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben kann, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen“ (Urteil vom 8. September 2010, Az. C-46/08 „Carmen Media Group“ [Juris]).
16
Das Bundesverwaltungsgericht folgt in seinem Urteil vom 24. November 2010 (NVwZ 2011, 549) dieser Auffassung. Es stellt unter Hinweis auf die oben genannte Rechtsprechung des EuGH fest, die Eignung der Monopolregelung sei unionsrechtlich nicht schon zu bejahen, weil diese dem legitimen Ziel der Suchtbekämpfung dienen kann. Sie müsse vielmehr geeignet sein, die Verwirklichung dieses Ziels zu gewährleisten, indem sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beiträgt. Dabei seien sowohl der normative Gehalt der Regelung als auch ihre konkreten Anwendungsmodalitäten zu berücksichtigen.
17
Auch das erkennende Gericht folgt dem. Die Beurteilung der Eignung einer Monopolregelung kann nicht der tatsächlichen Rechtswirklichkeit entkleidet, lediglich am Normwortlaut gemessen werden. Insbesondere wenn sich das Gesetzeswerk seine Rechtfertigung durch die Formulierung überragend wichtiger Gemeinwohlziele verschafft, diese Ziele in der von staatlicher Seite aktiv gestalteten Rechtswirklichkeit indes unbeachtet bleiben, vermögen diese sich nur auf dem Papier wiederfindenden Gemeinwohlziele keine Rechtfertigung der Monopolregelung darzustellen.
18
Das Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung im Land Brandenburg trägt nicht effektiv dazu bei, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Es ist privaten Wirtschaftsteilnehmern gestattet, andere – nicht vom Monopol erfasste – Glücksspiele wie Geldspielautomaten und Pferdewetten durchzuführen. Die Rahmenbedingungen für diese Glücksspielangebote wurden in der Vergangenheit sogar gelockert (Änderung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit, BGBl. 2006 I S. 280), obwohl derartige Spiele und Wetten eine weitaus höhere Suchtgefahr aufweisen als Sportwetten und Lotterien (vgl. Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mai 2009, S. 84; Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mai 2011, S. 82). Auch nimmt die Anzahl an Spielhallen stetig zu; so betrug der Anstieg etwa in Wiesbaden und Frankfurt am Main innerhalb von fünf Jahren (2005 – 2010) mehr als 50 Prozent (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. Juli 2010 „Die unheimliche Vermehrung der Spielhallen“). Seit der Änderung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit hat sich in Deutschland die Anzahl der aufgestellten Geldspielautomaten von 183.000 im Jahr 2005 auf 225.000 Geräte im Jahr 2008 erhöht und vor allem sind im gleichen Zeitraum die Umsätze in diesem Bereich von 5,88 Mrd. Euro auf 8,13 Mrd. Euro sowie der maßgebliche Bruttospielertrag um 38% von 2,35 Mrd. Euro auf 3,25 Mrd. Euro gestiegen (vgl. VGH München, Beschluss vom 21. März 2011, Az.: 10 AS 10.2499 [beck-online]).
19
Daneben betreiben die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung, die sich nur mit dem Bestreben, die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren, erklären lässt. Durch die öffentliche Hand veranstaltete Glücksspiele werden offensiv beworben. Diese Werbung dient erkennbar nicht lediglich dem Zweck der Kanalisierung und bloßen Befriedigung des natürlichen Spieltriebes, sondern schafft vielmehr gerade Anreize zur Spielteilnahme. Anders sind die auffälligen Werbungen für staatliche Lotterien sowie TV-Werbespots und die Ziehung der Lottozahlen auf prominentesten Sendeplätzen nicht zu erklären.
20
Eindrucksvoll belegt dies die offensichtlich gerade nicht an den Zielen des § 1 GlüStV ausgerichtete Werbung der Spielbank Potsdam, die diese über einen längeren Zeitraum in ihrem Internetauftritt eingestellt hatte. Sie warb (Stand 29. März 2010) unter anderem mit „Noch ein Glückspilz am Brandenburg Jackpot (…) Diesmal konnte sich ein Gast über 11.957,51 Euro freuen“. Mit solcher Werbung wird unter Umkehrung der statistischen Gewinnwahrscheinlichkeit der Gewinner in den Vordergrund geschoben und der „Glückspilz“ als Werbeträger und Identifikationsfigur angeboten. Das besonders suchtgefährliche Automatenspiel wurde auf dieser Internetseite damit angepriesen, dass bei Verwendung einer sogenannten Play-Card „ein bequemes und schnelles Wechseln vom einen zum anderen Automaten möglich (ist), da das Spielguthaben schnell und einfach auf die Play-Card gebucht wird, keine Wartezeiten entstehen, da das Auffüllen von Münzen am Automaten entfällt und kein aufwendiges Wechseln von Münzen notwendig ist“. Ein solches Angebot dient augenscheinlich lediglich dem Zweck, den Spiel- und damit Gelddurchfluss an den Spielautomaten zu erhöhen. Ebenfalls nicht an den Zielen des § 1 GlüStV ausgerichtet war die Bewerbung eines Produktes der Land Brandenburg Lotto GmbH unter der Bezeichnung „L-Dorado“ (gesprochen: „El Dorado“). Dieser Name, der aus dem Spanischen kommt und „Der Goldene“ bedeutet, bezeichnete ursprünglich ein sagenhaftes Goldland im Innern des nördlichen Südamerika. Der Name wurde zu einem Synonym für Reichtum und die Abwesenheit von wirtschaftlichen Sorgen. Durch die Bezeichnung des Glücksspiels mit einem solchen Namen wird suggeriert, das beworbene Glücksspiel sei ein geeignetes Mittel, diesen Zustand von Reichtum und Abwesenheit wirtschaftlicher Sorgen zu erreichen, und er täuscht darüber hinweg, dass sich der Glücksspielteilnehmer in Wahrheit mit jeder Glücksspielteilnahme statistisch ein Stückchen von diesem erstrebenswerten Zustand entfernt. Die Bewerbung eines Lotterieproduktes unter diesem Namen widerspricht ebenso wie die vorstehenden Beispiele dem Gebot des § 5 Abs. 1 GlüStV, Werbung für öffentliches Glücksspiel zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters auf Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken.
21
Zwar finden die vorgenannten Werbungen in dieser Form aktuell soweit ersichtlich nicht statt, nachdem sie zwischenzeitlich durch Gerichte untersagt oder jedenfalls kritisiert wurden (vgl. nur VG Potsdam, Beschluss vom 27. April 2011, Az.: 6 K 2126/06; OLG Brandenburg ZfWG 2011, 378; OLG Brandenburg, Urteil vom 18. August 2009, Az.: 6 U 103/08). Doch zeigt dies, dass das Marktverhalten der Lotterieanbieter in öffentlicher Hand gerade nicht an den Zielen des § 1 GlüStV ausgerichtet ist. Erkennbar versuchen die staatlich beherrschten Anbieter auszuloten, wo Gerichte die äußerste Grenzlinie ziehen. Dabei wird wie selbstverständlich in Kauf genommen, dass sich das Marktverhalten bis zur gerichtlichen Korrektur zumindest teilweise außerhalb dieser Grenzlinie befindet. Die staatlichen Lotterieanbieter und Monopolinhaber können sich daher zum Beleg ihrer Ausrichtung an den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags nicht darauf berufen, sich am Ende gerichtlichem Druck gebeugt zu haben und ihr in besonderem Maße den gesetzlichen Zielen zuwiderlaufendes Marktverhalten letztendlich doch eingestellt zu haben. Der Verzicht auf solche Werbung beruht nicht auf einer Verbundenheit mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages, sondern auf gerichtlicher Korrektur.
22
Nicht zwangsläufig unzulässig sind zwar eine allgemeine Imagewerbung und die Verwendung einer Dachmarke. Eine solche Werbung muss sich aber auf sachliche Information und Aufklärung über legale Wettmöglichkeiten beschränken. Sie darf auf die Legalität und Seriosität des Monopolangebots hinweisen, aber nach ihrem Aussagegehalt nicht zum Wetten motivieren. Die zulässige Kanalisierung der Wettleidenschaft rechtfertigt nur, bereits zum Wetten Entschlossene zum Monopolangebot hinzulenken, nicht jedoch, noch Unentschlossene zur Teilnahme an Wetten anzureizen oder zu ermuntern. Unzulässig sind daher stimulierende Bezugnahmen auf herausragende Sportereignisse oder die Verknüpfung auch rein informativer Hinweise mit der Ankündigung von Sonderausschüttungen oder anderen höheren oder zusätzlichen Gewinnchancen. Auch eine Aufmachung, die etwa durch befristete Angebote Entscheidungsdruck suggeriert, ist nicht erlaubt. Weist der Monopolträger auf eine Verwendung der Wetteinnahmen hin, ist dies unbedenklich, wenn es sich nach der konkreten Aufmachung nur um eine sachliche Information im Sinne einer Rechenschaftslegung ohne Bezug zu konkreten Spielmöglichkeiten handelt. Dagegen darf der Hinweis nicht mit einem solchen Bezug verknüpft und das Wetten selbst nicht zum sozialadäquaten oder gar wünschenswerten, positiv zu beurteilenden, sozialverantwortlichen Handeln aufgewertet werden (BVerfG NVwZ 2008, 1338; BVerwG NVwZ 2011, 1328; BVerwG NVwZ 2011, 549). Dem wird auch das gegenwärtige Werbeverhalten der durch das Land Brandenburg beherrschten Lotterieanbieter und der verbundenen Lotterieanbieter der anderen Bundesländer nicht gerecht.
23
Auch gegenwärtig findet insbesondere unter Hinweis auf Jackpots Werbung mit auffordernder Wirkung statt, die darauf ausgerichtet ist, Spielanreize zu schaffen. Auf der Homepage des Deutschen Lotto- und Totoblocks wird augenfällig und farblich hervorgehoben der aktuelle Jackpot angezeigt. Ferner wird auf der Internetseite unter anderem wie folgt geworben: „02.02.12 – Lotto-Jackpot wächst weiter an – am kommenden Samstag sind rund 19 Millionen Euro zu gewinnen“, „27.02.12 – Lotto-Jackpot nicht geknackt – am Mittwoch sind rund vier Millionen Euro zu gewinnen“ und „09.03.12 – Jackpot im Spiel 77 bei rd. 5 Millionen Euro – bislang höchste Gewinnsumme des Jahres in der Zusatzlotterie von LOTTO 6aus49“. Im öffentlichen Straßenraum erfolgt mittels Kundenstopper (Plakataufsteller) ebenfalls Werbung unter Hinweis auf den aktuellen Jackpot (6. März 2012, Friedrich-Ebert-Straße, „Jackpot – In der nächsten Ziehung rund 8 Millionen € in Klasse 1 zu gewinnen“). Der Hinweis auf den Lotto-Jackpot dient erkennbar nicht lediglich der Information und Aufklärung, sondern soll dazu motivieren, für die nächste Ausspielung Tippscheine zu erwerben. Damit werden nicht nur ohnehin spielwillige Personen auf das Angebot des deutschen Lotto- und Totoblocks aufmerksam gemacht, sondern Spielwillige zu höheren Einsätzen und auch im Allgemeinen nicht spielwillige Personen zur Teilnahme animiert. Weil Glücksspiel statistisch ein Verlustgeschäft ist, da der durchschnittliche Spieleinsatz stets hinter dem durchschnittlichen Gewinn zurückbleibt, verzichten viele Menschen normalerweise auf die Spielteilnahme. Die Mitteilung auf den „nicht geknackten“ Jackpot durchbricht diese Logik indes, sodass Gewinnchancen abwägende Personen doch zur Spielteilnahme oder zu höheren Einsätzen animiert werden können. Durch den „nicht geknackten“ Jackpot erhöht sich bei gleichem Spieleinsatz die Gewinnchance. Hohe Jackpots führen daher stets zu einer deutlichen Steigerung der Spieleinsätze, die Nichtentstehung solcher Jackpots entsprechend zu Umsatzeinbrüchen (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. März 2011 „Lotto Hessen hofft auf Eurojackpot“; Frankfurter Rundschau vom 9. Februar 2009 „Lotto Hessen büßt Umsatz ein“; Handelsblatt vom 15. Februar 2006 „Jackpot – Ansturm auf Lottofilialen“; Märkische Allgemeine vom 25. Mai 2005 „Brandenburg im Lottofieber – 24 Millionen Euro im Jackpot/50 Prozent mehr Umsatz erwartet“). Der Hinweis auf „nicht geknackte“ Jackpots dient der Auslösung dieses Effektes und hat daher Aufforderungscharakter (so auch OVG NRW ZfWG 2011, 428). Besonders bedenklich ist dies, da gerade junge Erwachsene durch die Jackpot-Werbung in hohem Maße beeinflusst werden (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009 – Ergebnisbericht, Januar 2010).
24
Auch die Werbung auf der genannten Homepage „05.01.12 – 117 neue Millionäre über alle Spielarten im Deutschen Lotto- und Totoblock 2011“ ist nicht von vorrangig informatorisch-aufklärerischer Natur. Tatsächlich informativ und aufklärend wäre diesbezüglich etwa eine zahlenmäßige Gegenüberstellung von Spielern, die gewonnen haben und solchen, die nicht gewonnen haben. Stattdessen werden alleine die Lottomillionäre in den Mittelpunkt gerückt und auf diese Weise suggeriert, der Millionengewinn sei eine realistische Chance, denn „andere haben es ja auch geschafft“. So wird darüber hinweggetäuscht, dass 98,1 von hundert Spielen nicht gewinnen, dagegen die Wahrscheinlichkeit für „sechs Richtige mit Zusatzzahl“ nur bei etwa 1/140 Millionen (genau 0,00000071511 %) liegt (Quelle: [http://lotto-brandenburg.de/index.php?id=120]; Wikipedia, Artikel „Lotto“). Indem Lottomillionäre in das Bewusstsein gerückt werden, wird der kognitionspsychologische Effekt der sogenannten Verfügbarkeitsheuristik (auch Verfügbarkeitsfehler) ausgenutzt, also die Neigung von Menschen, die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses gefühlsmäßig daran vorzunehmen, ob entsprechende Ereignisse erinnerlich sind. Ereignisse, an die sich sehr leicht erinnern lässt, scheinen wahrscheinlicher zu sein als Ereignisse, an die sich nur schwer erinnern lässt (Quelle: Wikipedia, Artikel „Verfügbarkeitsheuristik“).
25
Soweit indes tatsächlich über Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten informiert wird, ist dies teilweise unverständlich und ohne Aussagewert. Die Spielbanken in Brandenburg „informieren“ über das Spiel Black Jack mit folgender Aussage: „Daher ändern sich die Gewinn- bzw. Verlustwahrscheinlichkeiten im Laufe des Spiels ständig (im Durchschnitt zwischen 90 % und 99 %)“. Ob sich die genannten Werte indes auf die Gewinn- oder aber auf die Verlustwahrscheinlichkeit beziehen oder gar, wie die Satzstellung nahelegen würde, auf das Maß der Änderung, wird dem Interessierten nicht mitgeteilt.
26
Schließlich übersteigt die Eigenwerbung auch die Grenze der zulässigen Imagepflege. Indem etwa das Produkt „Glücksspirale“ des Deutschen Lotto- und Totoblocks mit „40 Jahre gute Taten“ und „Glück für Spieler und gemeinnützige Einrichtungen“ beworben wird, wird das Glücksspiel zum gesellschaftlich erwünschten und sozial wertvollen Handeln erhoben. Der Spieler findet sich in der sozial achtbaren Rolle des Spenders wieder (so auch OVG NRW ZfWG 2011, 428).
27
Da das Glücksspielmonopol in seiner konkreten Ausgestaltung in der Rechtswirklichkeit nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, indem es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, verstößt es gegen Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Dienstleistungsfreiheit).
28
Eine Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen über das staatliche Veranstaltungsmonopol führt zwar nicht automatisch dazu, dass die Vorschriften über die Erlaubnispflicht und die Glücksspielaufsicht zur Gänze unanwendbar wären. Lediglich soweit die Vorschriften Ausdruck des Glücksspielmonopols sind, indem bereits der Umstand, dass ein Privater eine Erlaubnis begehrt, einen Versagungsgrund darstellt, tritt diese Folge ein. Insofern ist zwischen den Regelungen zum Glücksspielmonopol und denen, die unabhängig von der Monopolisierung der Verwirklichung der Ziele des § 1 GlüStV dienen, zu differenzieren (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Februar 2011, Az.: OVG 1 S 220.10; VGH München, Beschluss vom 21. März 2011, Az.: 10 AS 10.2499 [beck-online]). Soweit der GlüStV sowie die außer Kraft getretenen Vorschriften des LottG a. F. Private von der Erlaubnisfähigkeit der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten ausschließen, handelt es sich jedoch nicht um ordnungsrechtliche Vorschriften, die der Verwirklichung der Ziele des § 1 GlüStV dienen. Sie dienen vielmehr unmittelbar der Realisierung des Glücksspielmonopols, was sich daran zeigt, dass der Klägerin untersagt wurde zu vermitteln, was der Monopolinhaber veranstalten und vermitteln dürfte, nämlich Sportwetten.
29
Vor dem Hintergrund, dass sich das Glücksspielmonopol als europarechtswidrig erweist, stellt ein „Verstoß“ gegen dieses europarechtswidrige Landesrecht bereits tatbestandlich keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung dar. Soweit das Landesrecht ein staatliches Glücksspielmonopol vorsieht, kann es keine Geltung beanspruchen. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union wurde durch die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert (BGBl. II 2009 S. 1038, 1223). Ein nationales Gesetz – gleichgültig, ob Landes- oder Bundesgesetz – das dem europäischen Gemeinschaftsrecht widerspricht, darf wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht angewandt werden (BVerfGE 116, 202; BVerfG BVerfGK 14, 429; Hellermann in Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 15. Januar 2011, Art. 31 Rn. 4). Auch wenn die Klägerin sich als Inländerin nicht unmittelbar auf die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit berufen kann, gebietet der aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes folgende Gleichbehandlungsgrundsatz, auch ihr das landesrechtliche Glücksspielmonopol nicht entgegenzuhalten.
30
Keine andere Beurteilung folgt aus einem möglichen Verstoß gegen § 284 StGB (Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels) oder gegen § 287 StGB (Unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder einer Ausspielung). Diese Vorschriften sind verwaltungsakzessorisch (Heine in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl., § 284 Rn. 18), was sich aus dem negativen Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ ergibt, so dass die strafrechtliche Betrachtung der verwaltungsrechtlichen folgt.
31
Soweit durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Rahmen des Eilrechtschutzverfahrens angenommen worden ist, der Tatbestand des § 284 StGB sei von der Klägerin durch das Bereitstellen der Cashpoint-Automaten verwirklicht, ist zu berücksichtigen, dass die dortige Entscheidung vor der hier einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erging und die Kammer die Frage der Europarechtskonformität vorliegend anhand desjenigen Marktverhaltens der Monopolinhaber beurteilt hat, das diese zeitlich nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts an den Tag gelegt haben.
32
Im Übrigen verstößt die Klägerin durch das Angebot der Cashpoint-Automaten auch nicht gegen das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV. Das Internetverbot untersagt das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet. Zwar eröffnen diese Automaten einen Internetzugang, über den nach Geldeinwurf an einem Glücksspiel teilgenommen werden kann. Dies begründet jedoch gerade nicht die typischen Gefahren, die mit Glücksspielangeboten im Internet einhergehen und derer das Internetverbot wehren soll. Diese internettypischen Gefahren resultieren im Wesentlichen aus der ständigen Verfügbarkeit des Glücksspielangebotes Tag und Nacht an jedem Ort und der zwangsläufigen Lückenhaftigkeit jedweden Minderjährigenschutzes. Ferner ist bei Glücksspielangeboten im Internet die Hemmschwelle für Suchtverhalten niedriger, da das Spiel nicht mit persönlichen Kontakten einhergeht und kein Bargeldeinsatz beim Abschluss des Spielvertrages erforderlich ist. Die Cashpoint-Automaten in der Spielhalle der Klägerin bergen diese internettypischen Gefahren indes nicht. Es besteht vielmehr dasselbe Schutzniveau wie bei allen anderen Glücksspielangeboten der Klägerin, das sich unter anderem aus § 33c GewO ergibt. Minderjährige dürfen Spielhallen nicht betreten und müssten gegebenenfalls von der anwesenden Aufsicht des Ladenlokals verwiesen werden (§ 6 JuSchG). Die durch die Klägerin bereitgestellte Verfügbarkeit des Glücksspielangebotes ist auf das Ladenlokal begrenzt und „verfolgt“ Spielwillige nicht via Internet bis in deren privaten Bereich. Der Besuch des Ladenlokals bringt jedenfalls diejenige soziale Kontrolle durch einen persönlichen Kontakt mit sich, die hinsichtlich des übrigen Glücksspielangebotes der Klägerin auch als ausreichend angesehen wird, und die Spielteilnahme erfordert einen vorherigen Geldeinwurf. Anders als beim typischen Glücksspielangebot im Internet kann der Spieler daher nicht über das Lastschriftverfahren Beträge verspielen, über die er vor Ort nicht verfügt. Letztendlich handelt es sich bei den Cashpoint-Automaten um Spielgeräte unter vielen, mit der einzigen Besonderheit, dass die Gewinnentscheidung nicht „im Gerät“ getroffen wird, sondern anderenorts. Ob die hierfür erforderlichen Daten via Internet oder via Telefonleitung – was technisch ohnedies weitestgehend deckungsgleich bliebe – übertragen werden, kann nicht über die Frage der Zulässigkeit des Spielangebotes entscheiden. Das Gefahrenpotential der umstrittenen Automaten übersteigt nicht das Gefahrenpotential anderer Spielgeräte, die lediglich den Regelungen von § 33c GewO unterfallen. Diese Gefahren werden durch die gewerberechtliche Kontrolle ordnungsrechtlich erfasst. Für die Anwendung des Internetverbotes nach § 4 Abs. 4 GlüStV ist in Ermangelung der internettypischen Gefahrenlage daher kein Raum.
33
Ist demnach die Verbotsverfügung aufzuheben, können auch die Zwangsmittelandrohung und die Gebührenerhebung keinen Bestand haben.
34
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
35
Die Berufung war zuzulassen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen haben über den vorliegenden Fall hinaus grundsätzliche Bedeutung. Vergleichbare Fallgestaltungen sind, wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, häufig anzutreffen. Die Beurteilung der Zulässigkeit insbesondere von Cashpoint-Automaten wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Insbesondere beurteilt das erkennende Gericht die streitentscheidenden Rechtsfragen in Abweichung zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.