Sonntag, 14. Juli 2013

Fall Mollath - Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger plant Strafrechtsreform

Die SZ berichtet: Eine Bagatelle reicht manchmal aus, um in der Psychiatrie zu landen. Eine zeitliche Begrenzung dafür gibt es nicht. Nun will Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Kriterien für die Einweisung und für die Kontrolle verschärfen.

Der Grund: Die wachsenden Zweifel im Fall des Gustl Mollath.

Angesichts "der Tiefe des Eingriffs in die Freiheit" sei die Reform dringend erforderlich, heißt es in einem Reformpapier.

Das Problem: Es gibt viel zu wenige qualifizierte Gutachter. Das Justizministerium fordert daher die Länder auf, für deren Ausbildung "Sorge zu tragen". Der Satz "in der Praxis stehen keine geeigneten Gutachter zur Verfügung" sei im Rechtsstaat nicht tolerabel.
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Hiermit möchte ich erneut auf die Entscheidung des BGH vom 06.03.2913 zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hinweisen.
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Diagnose auf fragwürdiger Grundlage?
Baden-Württemberg prüft wegen Mollath Psychiatrie-Fälle
In Baden-Württemberg soll es Menschen geben, die unter ähnlich fragwürdigen Umständen wie Gustl Mollath in der Psychiatrie untergebracht sind. Einem Pressebericht zufolge will Justizminister Stickelberger jetzt verschiedene Fälle prüfen lassen.
Mit dieser Ankündigung reagierte Stickelberger auf entsprechende Hinweise der Neuen Richtervereinigung (NRV).
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Die Neue Richtervereinigung (NRV) hatte erklärt, es gäbe vergleichbare Fälle in Baden-Württemberg. Daraufhin kündigte Stickelberger am Montag an, dass nun auch in Baden-Württemberg geprüft werden solle, ob Menschen unter rechtlich bedenklichen Umständen zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht seien. Zuvor müsse die NRV aber diese Fälle konkret benennen. "Dann können die Gerichte korrigierend eingreifen oder wir als Ministerium über unsere Staatsanwaltschaften dem gegebenenfalls nachgehen", erklärte der Minister im SWR.
2011 waren in Baden-Württemberg gut 600 psychisch kranke Straftäter in einer Psychiatrie untergebracht.
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Der Bayerische Richterverein hält die derzeitige Verfahrensweise dagegen für ausreichend.
In dem offenen  Brief vom 20.11.2012 an Prof. Dr. Müller wurde wie folgt ausgeführt:
“Ferner sollte im Rahmen einer sachlich geführten Diskussion nicht unerwähnt bleiben, dass die Fortdauer der Notwendigkeit der Unterbringung jährlich gerichtlich überprüft worden ist und weiter überprüft wird.
Es findet somit auch noch laufend eine unabhängige Prüfung statt.“
Und in seiner Pressemitteilung am 30.11.2012:
“Die Unterbringung des Gustl M. in einer psychiatrischen Einrichtung beruht auf einer vom Bundesgerichtshof höchstrichterlich bestätigten Gerichtsentscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Die weitere Notwendigkeit einer Unterbringung wurde und wird entsprechend der gesetzlichen Vorgabe einmal jährlich durch sachverständig beratene – andere - Gerichte überprüft, zuletzt im September 2012.“

Darin heißt es auch, es sei „völlig unangebracht“, den Vorwurf zu erheben, es sei Rechtsbeugung oder Freiheitsberaubung im Amt verübt worden.
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Kommentar zur Pressemitteilung des Bayerischen Richtervereins:
“Ein Gutes hat die Pressemitteilung immerhin, nämlich daß sie nur das Gegenteil von dem bewirken kann, was Groß beabsichtigt: Daß nun genauer nachgesehen wird, wie es um die richterliche Unabhängigkeit bestellt ist. Das Grundproblem im Fall Mollath ist ja, daß sie gerade fehlte. Richter, die die Wahrheitsfindung praktisch in die Hände von Psychiatern legen, sind nicht unabhängig.“
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Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) v. 26.07.2013 

Maßregelvollzug in der Kritik: Psychisch kranke Menschen in der forensischen Psychiatrie und Psychotherapie

Die forensische Psychiatrie und Psychotherapie befasst sich mit der Besserung und Sicherung psychisch kranker Straftäter. Ungeachtet großer Fortschritte in der medizinischen und psychosozialen Therapie sowie der sehr niedrigen Rückfallraten bei Straftaten sieht die Öffentlichkeit die Behandlung im psychiatrischen Maßregelvollzug eher skeptisch. Berichte über Entweichungen, angezweifelte Gutachten und seltene Zwischenfälle bestimmen zu Unrecht das Bild in der Öffentlichkeit. Auch Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie in der Forensik stehen aktuell vermehrt in der Kritik. Dabei setzt die DGPPN schon seit vielen Jahren mit dem Schwerpunkt Forensische Psychiatrie und Psychotherapie auf eine qualitativ hochwertige, zertifizierte Fortbildung und fordert eine Reform des Maßregelrechts.

Was ist forensische Psychiatrie und Psychotherapie?
Aktuell wird die Behandlung von psychisch erkrankten Menschen mit der Besserung und Sicherung von psychisch kranken Straftätern verwechselt. Die Psychiatrie und Psychotherapie hat unter den medizinischen Disziplinen eine Sonderstellung: Sie übernimmt neben ihrem Heilauftrag als genuin ärztlicher Aufgabe zusätzlich für die Gesellschaft ordnungspolitische Aufgaben. Dazu gehört auch die "Besserung und Sicherung" im psychiatrischen Maßregelvollzug. Straftäter, die Gerichte aufgrund ihrer psychischen Erkrankung als nicht oder vermindert schuldfähig erklären, werden in forensisch-psychiatrische Kliniken (psychiatrischer Maßregelvollzug) zur fachgerechten Behandlung eingewiesen. Die Voraussetzungen dazu sind im Strafgesetzbuch geregelt. Voll schuldfähige Straftäter verbüßen hingegen ihre Strafe in Justizvollzugsanstalten. Forensische Psychiatrie und Psychotherapie ist nicht Strafvollzug und ist nicht Sicherungsverwahrung.

Aktuelle Entwicklungen in der Forensik
In den letzten Jahrzehnten hat die Anzahl der behandelten Menschen in der forensischen Psychiatrie und Psychotherapie stark zugenommen. Dabei ist infolge der gesellschaftlichen Forderung nach mehr Sicherheit die Verweildauer in der Forensik stark gestiegen. Bundesweit werden gegenwärtig rund 10.000 Patienten stationär im psychiatrischen Krankenhaus auf Grundlage des Strafgesetzbuches behandelt. Hinzu kommen mehrere tausend ambulant betreute Patienten in der forensischen Nachsorge. Die ambulante Nachbetreuung in den forensischen Institutsambulanzen ist bundesweit etabliert und arbeitet sehr erfolgreich (weniger als 5 Prozent Rückfälle).

Der Fall Mollath
Die derzeitige Berichterstattung über den Fall Mollath unterstellt aus Sicht der DGPPN der forensischen Psychiatrie, dass diese ein rechtloser Raum sei. Es ist die rechtsstaatliche Aufgabe des Gerichts und nicht die Pflicht der forensischen Psychiatrie, zu prüfen und festzustellen, ob sich die einem Menschen zur Last gelegten Straftaten überhaupt ereignet haben und nicht eventuelle Falschbezichtigungen eine Rolle spielen. Es ist auch alleinige Aufgabe des Gerichts, die Schwere von begangenen Straftaten zu bewerten. Gutachter haben eine diagnostische und prognostische Aufgabe. In Gerichtsverfahren entscheiden nicht sie, ob es eine Straftat überhaupt gegeben haben könnte oder ob der von ihnen untersuchte Proband sie begangen hat, sondern sie arbeiten angeleitet durch das Gericht.

Forderung der DGPPN
Das Bundesjustizministerium ist derzeit dabei, dem öffentlichen Druck nachzugeben und eine Reform des Maßregelrechts einzuleiten. Damit greift es endlich die seit 2011 von der DGPPN erhobene Forderung auf. Die Bedeutung einer korrekten Begutachtung in Hinblick auf Diagnose, Behandelbarkeit, Gefährlichkeitsprognose und Risikoabschätzung erfordert zwingend die Beteiligung forensisch-psychiatrischer Experten. Die DGPPN fordert den kommenden Bundestag und die neue Regierung auf, rasch eine Expertenkommission unter Einbezug der Expertise der forensischen Psychiatrie zu berufen.

Kontakt
Prof. Dr. med. Wolfgang Maier
Präsident DGPPN
Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
DGPPN-Geschäftsstelle
Reinhardtstraße 27 B
10117 Berlin
Tel.: 030.2404 772-11
Fax.: 030.2404 772-29
E-Mail: pressestelle[at]dgppn.de


Download
DGPPN-Presseinformation: Maßregelvollzug in der Kritik: Psychisch kranke Menschen in der forensischen Psychiatrie und Psychotherapie (PDF; 152 KB)

Anhang
DGPPN-Zertifikat „Forensische Psychiatrie“ und Summer School
Im Jahr 2000 übernahm die DGPPN eine Vorreiterrolle mit der Einführung des Zertifikats "Forensische Psychiatrie". Mit einem umfassenden Ausbildungscurriculum und der Supervision von Gutachten trug sie maßgeblich zur Qualitätsverbesserung forensisch-psychiatrischer Expertise bei. Die Zertifizierung durch die DGPPN wurde 2004 von den Landesärztekammern aufgenommen und die Schwerpunktbezeichnung Forensische Psychiatrie und Psychotherapie eingeführt.

Mit der 1. Summer School für forensische Psychiatrie erweitert die DGPPN jetzt ihr umfangreiches Angebot zur fachlichen Weiterbildung in forensischer Psychiatrie und Psychotherapie. Damit möchte sie interessierte Studierende sowie Assistenzärzte und -ärztinnen für die forensische Psychiatrie gewinnen, um die fachärztliche Expertise in der Begutachtung von Straftätern auch in Zukunft zu gewährleisten.

s.a. Pressemitteilung zum Fall Mollath der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) v. 08.08.2013