Donnerstag, 26. März 2015

Mehrwertsteuer / Karussellbetrug: Deutschland um hundert Millionen geprellt


Das Umsatzsteuersystem ist besonders betrugsanfällig!


Europol zerschlägt Ring von Mehrwertsteuer-Betrügern
Den Haag (AFP) Bei einer europaweiten Razzia gegen eine Bande mutmaßlicher Mehrwertsteuer-Betrüger sind neun Verdächtige festgenommen worden. Im Rahmen der Operation "Vertigo" gingen die Beamten der europäischen Polizeibehörde Europol und der Justizbehörde Eurojust gegen Verdächtige in Deutschland, den Niederlanden, Tschechien, Polen und weiteren EU-Ländern vor, wie die beiden Behörden am Dienstag in Den Haag mitteilten. Durch den Mehrwertsteuerbetrug sei allein Deutschland um hundert Millionen Euro geprellt worden.
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Europol hebt Ring von Mehrwertsteuer-Betrügern aus

Der mutmaßlichen Bande wird sogenannter Karusselbetrug vorgeworfen. Dabei werden Waren mehrwertsteuerfrei importiert und dann vor Ort mit Mehrwertsteuer verkauft, wobei der Importeur die Steuer umgeht, die er eigentlich an den Staat zahlen müsste. Dieselben Waren werden dann weiterverkauft und exportiert, wobei die Bande die Mehrwertsteuer zurückfordert, auf die sie keinen Anspruch hatte - auf Kosten der Steuerzahler.
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EUROPOL Original Pressemitteilung  (Auszug)
This action is part of a large-scale investigation on organised VAT fraud named Operation VERTIGO, formed by the Czech Republic, Germany, the Netherlands, Poland, Eurojust and Europol.
The damage to the state budget of Germany through this illegally evaded VAT and illegally reimbursed VAT is estimated to be in excess of EUR 100 million, while the Netherlands has suffered losses of at least EUR 30 million. In the Czech Republic and Poland, losses are estimated to be in excess of EUR 10 million each.
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Karussellbetrug: EU weist Vorwurf zurück
Brüssel will nicht als Blockierer dastehen. Österreich habe Pläne selbst nicht weiterverfolgt.
........Zugleich spielte die EU-Kommission allerdings den Ball zurück an die Mitgliedstaaten. Die Sprecherin erinnerte daran, dass "jede Änderung der gegenwärtigen Umsatzsteuer-Regelungen eine Einstimmigkeit im Europäischen Rat erfordert" - die EU-Kommission macht nur Vorschläge, danach müssten sich die Regierungschefs untereinander einig werden, wenn sie die EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie ändern wollen.
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Umsatzsteuerbetrug mit CO2-Zertifikaten

Manager der Deutschen Bank unter Betrugsverdacht - Akten der Steuerfahnder dokumentieren kriminelle Energie
Deutsche Bank: Elf Mitarbeitern drohen einem Magazinbericht zufolge wegen ihrer Verwicklung in den Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten Anklagen wegen Umsatzsteuerbetrugs. Das lege der Abschlussbericht der „Sonderkommission Odin“ von Ende März nahe, berichtete das Magazin „Focus“ am Freitag vorab. Es bestehe der Verdacht, dass sie sich „der Umsatzsteuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall zu Gunsten der Deutschen Bank schuldig gemacht haben“, zitierte das Magazin aus dem Bericht.
Die Bank war Teil des internationalen Systems, mit dem Händler im Jahr 2009 zu Unrecht mindestens 800 Millionen Euro Umsatzsteuer kassiert hatten. Weiter zum vollständigen Artikel ...

Verdacht auf Betrug mit CO2-Zertifikaten: Razzia in der Zentrale der Deutschen Bank
Die Polizei hat die Deutsche-Bank-Zentrale durchsucht: Mindestens 25 Mitarbeiter werden verdächtigt, Hunderte Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben - gegen fünf Beschuldigte wurden Haftbefehle erlassen. Insgesamt 500 Ermittler durchsuchten auch Wohnungen und Büros in Berlin und Düsseldorf.
Über mehrere Gesellschaften und Firmen handelten sie in verschiedenen Ländern mit CO2-Emissionszertifikaten. Dabei kauften sie die teuren Klimarechte umsatzsteuerfrei ein, gaben dann aber bei der monatlichen Meldung ans Finanzamt an, die Umsatzsteuerbeträge in Millionenhöhe entrichtet zu haben. Durch die Vielzahl von eingeschalteten Zwischenhändlern wurde die Hinterziehung der Umsatzsteuer dabei geschickt verschleiert.
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Das Reihengeschäft als innergemeinschaftliche Lieferung
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14
.......Im Übrigen ist es ggf. Aufgabe des Gesetz- oder Verordnungsgebers -über die Vermutungsregelung des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und den Belegnachweis des § 17a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 UStDV a.F., § 17a Abs. 1 und 2 UStDV i.d.F. ab 1.10.2013 hinaus- durch Änderung des UStG oder der UStDV in den Grenzen des Unionsrechts z.B. andere widerlegbare Vermutungen aufzustellen oder in anderer Form die Bedürfnisse der Praxis zu berücksichtigen (vgl. Art. 28c Teil A Einleitungssatz der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 131 MwStSystRL, § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).

Sieht das nationale Recht eines EU-Mitgliedstaats jedoch nur vor, dass die Lieferung nachzuweisen ist, bzw. hängt das Niveau der verlangten Nachweise von den konkreten Umständen des betreffenden Umsatzes ab, sind die Nachweispflichten lediglich nach den im nationalen Recht dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen und nach der für ähnliche Geschäfte üblichen Praxis zu bestimmen52. Es ist dem BFH weder möglich, Wahlrechte für Unternehmer zu schaffen, die das Unionsrecht nicht vorsieht, noch allgemeine Nachweispflichten für leistende Unternehmer vorzusehen, die das nationale Recht nicht enthält.
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Mehrwertsteuerhinterziehung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MACIEJ SZPUNAR
vom 11. September 2014(1)
Verbundene Rechtssachen C-131/13, C-163/13 und C-164/13
I,1 Nach einer auf Initiative der Europäischen Kommission vor Kurzem durchgeführten Untersuchung belief sich der Verlust von Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in den Mitgliedstaaten im Jahr 2011 auf 193 Milliarden Euro, was 18 % der geschuldeten Steuern und 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts ausmacht(2).

Diesem Ausfall mögen unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen, doch ist Steuerhinterziehung eine der hauptsächlichen. Es überrascht deshalb nicht, dass die Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung die nationalen Behörden und Gerichte zunehmend beschäftigt. Seit einiger Zeit gewinnt diese Problematik auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs an Bedeutung.
(2) vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 19. September 2013, IP/13/844


BT Drucksache 16/10; Finanzausschuss 10. Sitzung, 08.03.2006, S 13: 
„Es gibt sehr viel Steuerbetrug auch bei der Umsatzsteuer, das soll angegangen werden.“

wikipedia: Umsatzsteuerkarussell
Als Karussellgeschäft oder Karussellbetrug (englisch Missing Trader Intra-Community (MTIC) fraud) bezeichnet man eine in der Europäischen Union (EU) weit verbreitete Form des Steuerbetrugs. Hierbei wirken mehrere (Schein-)Unternehmen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zusammen, wobei einer der Händler der Lieferkette die von seinen Abnehmern bezahlte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt. Die Abnehmer machen hingegen die Vorsteuer geltend und erhalten diese vom Finanzamt ausgezahlt. Da in weiteren Teilen der Kette eine Lieferung über Binnengrenzen erfolgt und nach dem Bestimmungslandprinzip die Umsatzsteuer nicht im Ursprungsland (Sitzland des Verkäufers), sondern im Bestimmungsland (Sitzland des Käufers) anfällt, erfolgt keine Verrechnung mit der Vor- oder Umsatzsteuer aus weiteren Teilen der Lieferkette; außerdem wird die Aufdeckung erschwert.
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Rechtsanwalt:
Neben der strafrechtlichen Verfolgung wegen der Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung droht Ihnen weiteres Umgemach: Ein Haftungsbescheid des Finanzamtes wegen der von Ihrem Lieferanten nicht abgeführten Umsatzsteuer.
Immer dann, wenn Ihr Lieferant die von ihm in der Ausgangsrechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer nicht entrichtet und Sie hätten - wie es "kaugummimässig" heisst - mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkennen müssen, dass mit Ihrem Lieferanten etwas "faul" ist, droht Ihnen eine Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid.
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Aus der Fachliteratur kann entnommen werden, dass die Gefahr besteht einem Umsatzsteuerbetrüger aufzusessen, der die an ihn gezahlte “Umsatzsteuer“ nicht abgeführt hat. Sofern die Finanzverwaltung einen solchen Umsatzsteuerbetrüger ermittelt hat und bei diesem die Umsatzsteuer nicht mehr erheben kann, wird über die “dogmatische Konstruktion“ eines sog. betrugsbehafteten Umsatzes versucht, bei den nachfolgenden Leistungsempfängern den Vorsteuerabzug zu versagen, gleichwohl die Umsatzsteuer aus deren nachfolgenden Umsätzen aber festzusetzen. Je länger die Leistungskette im Inland ist, desto höher ist das Steueraufkommen, das die Finanzverwaltung über diesen Weg generiert. Damit entsteht leicht ein Vielfaches des normalen Umsatzsteueraufkommens, welches bei ordnungsgemäßer Durchführung – d.h. ohne einen involvierten Betrüger – niemals entstanden wäre. Ob dies mit der gesetzgeberischen Entscheidung in § 14c und § 25d UStG und den Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts vereinbar ist, scheint noch nicht geklärt zu sein.

Harmonisierung der Mehrwertsteuer

Harmonisierung der Besteuerung innerhalb der EU
Steuerliche Regelungen können die im Rahmen des Binnenmarktes angestrebte Beseitigung der EU-Binnengrenzen (einheitlicher Binnenmarkt) de facto nutzlos machen oder beeinträchtigen; sie können außerdem den Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern im Binnenmarkt verzerren.

1967 führte die 1. Richtlinie der EG zur Harmonisierung der Umsatzsteuer (EG-Amtsblatt vom 11. 4. 1967, S. 1.301) das Allphasen-Umsatzsteuer-System mit Vorsteuerabzug ("Mehrwertsteuersystem") ein (Allphasenumsatzsteuer), wodurch exakte Berechnung der exakten Umsatzsteuerbelastung für jede Ware, exakte Ausfuhrerstattungen und somit Neutralität im grenzüberschreitenden Handel ermöglicht wurden.
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Die vier Merkmale der Mehrwertsteuer sind:
  • ihre allgemeine Geltung für alle sich auf Gegenstände oder Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,
  • ihre proportionale Bemessung auf die für die steuerpflichtige Leistung erhaltene Gegenleistung
  • ihre Erhebung auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich des Einzelhandels
  • den Abzug der auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe eintretenden umsatzsteuerlichen Vorbelastung, so dass die Steuer nur den auf der jeweiligen Stufe geschaffenen Mehrwert erfasst und die Belastung letztlich vom Endverbraucher getragen wird
Quellen:
Grundlegend EuGH v. 03.10.2006, Banca populare die Cremona, C-475/03, Slg. 2006, I-9373, Rz. 28ff.; zur deutschen Grunderwerbsteuer s. EuGH v. 11.10.2007, KÖGAZ, C-283/06 u. C-312/06, Slg. 2007, I-8463, Rz. 37; EuGH v. 27.11.2008, Vollkommer, C-156/08, UR 2009, 136, 138, Rz. 31.

Indirekte Steuern: Mehrwertsteuer (MwSt.)

Die Mehrwertsteuer (auch Umsatzsteuer genannt) wird in den Mitgliedstaaten seit 1970 angewandt. Im Hinblick auf ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Binnenmarkts zielt die Rechtsetzungstätigkeit der EU auf eine Koordinierung und Angleichung der Mehrwertsteuervorschriften ab. Mit der Richtlinie 2006/112/EG wird eine Angleichung der Mehrwertsteuerbestimmungen innerhalb zweier Steuerbandbreiten angestrebt. Die für einen Binnenmarkt erforderliche Systemumstellung von der übergangsweise vorgesehenen Besteuerung im Bestimmungsland zur Besteuerung im Ursprungsland war für 1997 vorgesehen, ist jedoch nicht erfolgt. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gilt für die Herstellung und den Vertrieb von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen, die zu Verbrauchszwecken in der Europäischen Union erworben und verkauft werden. Um die steuerliche Neutralität zu gewährleisten, können die Mehrwertsteuerpflichtigen von ihrem Mehrwertsteuerkonto den Mehrwertsteuerbetrag abziehen, den sie an andere Steuerpflichtige entrichtet haben. Die Mehrwertsteuer wird letztendlich vom Endverbraucher in Form eines prozentualen Aufschlags auf den Endpreis getragen.

Rechtsgrundlage
Artikel 113 AEUV


Aktuelle Entwicklungen
2010 veröffentlichte die Kommission ihr Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer (KOM(2010)695),  dem eine Mitteilung folgte (KOM(2011)851). 

Ziel ist die Diskussion des derzeitigen MwSt.-Systems sowie möglicher Maßnahmen zur Verbesserung von Kohärenz mit dem Binnenmarkt und Leistungsfähigkeit als Einnahmequelle bei gleichzeitiger Reduzierung der Befolgungskosten.
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Gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Art.  113 (ex-Art.  93), erließ der Rat der Europäischen Union am 11.4.1967 die Erste Richtlinie 67/227/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Umsatzsteuer, der die Mehrwertsteuer als eine proportionale allgemeine Verbrauchsteuer auswies (vgl. dazu heute Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie vom 28.11.2006).

Die Umsatzsteuer ist europarechtlich harmonisiert und wird in der Gemeinschaft durch die MwStSystRL 2006/112/EG (vormals 77/388/EWG, die die Erste Richtlinie 67/227/EWG ersetzte) und Durchführungsverordnung zur Richtlinie vom 23. März 2011 geregelt, wodurch die Mehrwertsteuerrichlinie als  unmittelbar gültiges Gesetz anzuwenden ist.  Die DVO (EU Nr. 282/2011) ersetzt die bisherige Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1777/2005

Als wesensgebendes Merkmal einer Umsatzsteuer wird die Bemessung nach dem Preis angesehen. Danach sei es den Mitgliedstaaten nämlich verboten, neben der Mehrwertsteuer weitere Steuern mit Umsatzsteuercharakter zu erheben. (vgl. u.a. Art. 401 MwStSystRL; BGŻ Leasing; C-224/11, Rn. 67; Schlussanträge; C-385/12)

Die Ziele der RL sind durch das vom Richtliniengeber verfolgte Regelungsziel geprägt. Die Auslegung eines Rechtsbegriffs nach Inhalt und Zweck der Regelung (teleologische Auslegung) erfährt eine europarechtliche Ausprägung durch den Grundsatz des effet utile, wonach im Wege der Auslegung sicherzustellen ist, daß das Regelungsziel mit größtmöglicher Wirksamkeit verwirklicht wird.

Zum Art. 401 der RL entschied der EuGH  in der Rs BGZ Leasing; C-224/11:

67      Für diese Auslegung spricht überdies der Zweck der Mehrwertsteuerrichtlinie, die Versicherungsumsätze von der Steuer befreit und zugleich in Art. 401 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, Abgaben auf Versicherungsverträge beizubehalten oder einzuführen. Infolgedessen könnte, wenn der Ausdruck „Versicherungsumsätze“ nur Umsätze der Versicherer selbst erfassen würde, ein Endverbraucher – wie etwa ein Leasingnehmer – unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht nur mit dieser Abgabe, sondern, falls eine Versicherungsleistung über den Leasinggeber erbracht wird, auch mit der Mehrwertsteuer belastet werden. Ein solches Ergebnis widerspräche dem Zweck der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung (vgl. in diesem Sinne Urteil CPP, Randnr. 23).

Ausweislich des vierten Erwägungsgrundes der Mehrwertsteuerrichtlinie ist es nämlich das Ziel der Einführung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, in den Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern anzuwenden, durch die die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht und der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht behindert werden. Dabei sollen so weit wie möglich die Faktoren ausgeschaltet werden, die geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Unionsebene zu verfälschen. (vgl. Kokott, Schlussanträge Rs: C-385/12, Rn 96)

Konsequenterweise hat der Gerichtshof selbst in seinen letzten einschlägigen Entscheidungen verlangt, beim Vergleich einer nationalen Steuer mit den Merkmalen der Mehrwertsteuer ein besonderes Augenmerk auf das Erfordernis zu legen, dass die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems jederzeit gewährleistet sein muss. Es bleibt jedoch offen, warum nur eine Steuer, welche die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt, das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigen kann. Wie Generalanwältin Stix-Hackl bereits zu Recht festgestellt hat, wird das gemeinsame Mehrwertsteuersystem am stärksten durch eine Steuer gestört, die sowohl wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer als auch solche aufweist, die im Konflikt mit der Mehrwertsteuer stehen.

Gegen die enge Sichtweise der Rechtsprechung spricht somit nicht nur der Wortlaut des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der nicht auf den Charakter einer Mehrwertsteuer, sondern auf den Charakter einer davon zu unterscheidenden Umsatzsteuer abstellt. Vor allem nimmt die enge Auslegung dieser Vorschrift ihre praktische Wirksamkeit, weil sie die Erhebung nationaler Umsatzsteuern zulässt, die – wie etwa eine Umsatzsteuer nach dem kumulativen Mehrphasensystem – das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigen. (vgl. Kokott, Schlussanträge Rs: C-385/12, Rn 97.

Bereits Generalanwalt Léger hat darauf hingewiesen, dass eine abweichende Sichtweise paradoxerweise den Mitgliedstaaten die Wiedereinführung eines kumulativen Mehrphasensystems erlauben würde, dessen Abschaffung das gemeinsame Mehrwertsteuersystem doch gerade dient. Denn ein kumulatives Mehrphasensystem weist eben nicht die wesentlichen Merkmale einer Mehrwertsteuer auf, da es keinen Vorsteuerabzug vorsieht.
(vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 13. März 1997, Solisnor-Estaleiros Navais, C-130/96, Slg. 1997, I-5053, Nr. 42).

Die Generalanwältin Kokott führt in ihren Schlussanträgen vom 5. September 2013 in der Rs: C-385/12 weiter aus:
Danach sei es den Mitgliedstaaten nämlich verboten, Steuern mit Umsatzsteuercharakter zu erheben
Rn 93.      Der Sinn des Verbots der Erhebung von Steuern, die den Charakter einer Umsatzsteuer haben, lässt sich wie folgt erklären: Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem der Union soll die zuvor in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden unterschiedlichen Umsatzsteuern ersetzen(40). Wie der vierte und der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 67/227/EWG zeigen(41), wurden zuvor in den meisten Mitgliedstaaten Umsatzsteuern in der Form eines kumulativen Mehrphasensystems, also nicht in der Form einer Mehrwertsteuer, erhoben. Durch das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sollen nun alle Umsatzsteuern in der Union durch eine bestimmte Form der Umsatzsteuer, nämlich die geltende Mehrwertsteuer, ersetzt werden.

Rn 94.      Folglich harmonisiert das gemeinsame Mehrwertsteuersystem nicht den Bereich der Mehrwertsteuern, sondern den weitergehenden Bereich der Umsatzsteuern, indem es eine bestimmte Spielart der Umsatzsteuer – die geltende Mehrwertsteuer – als verbindlich festlegt. Dieser Harmonisierung würde es natürlich widersprechen, wenn die Mitgliedstaaten neben dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem weitere Umsatzsteuern, gleich welcher Spielart, unterhielten.
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Der scheinbar als "Erlaubnisnorm" formulierte Art. 401 der MwStSystRL, dem tatsächlich eine Verbotswirkung zukommt, erfasst sowohl neu einzuführende als auch bestehende Steuern und Abgaben.

Zweck der Mehrwertsteuerrichtlinie sei es, die Umsätze nach Art. 135 von der Mehrwertsteuer zu befreien und den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zu geben, diese Umsätze nach Art. 401 einer Sonderabgabe zu unterwerfen, die nicht den Charakter einer Umsatzssteuer haben.
(BGŻ Leasing; C-224/11, Rn. 67)


RICHTLINIE 2006/112/EG DES RATES
vom 28. November 2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(ABl. L 347, 11.12.2006, p.1)
vormals (Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern) geregelt.
Die Richtlinie trat gem. Art. 413 am 01.01.2007 in Kraft und war entsp. Art 412 bis 01.01.2008 umzusetzen.
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EU bläst zur Jagd auf Steuertrickser

Die neue EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager will Konzerne zur Strecke bringen, die es mit Tricks schaffen, weniger Steuern zu zahlen. Staaten müssen fürchten als Mittäter angeklagt zu werden. 21 Mitgliedsländer und 125 Firmen werden nun in die Mangel genommen. Auch Firmen in Österreich sind dabei.
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Margrethe Vestager
Seit 2014 ist sie EU-Kommissarin für Wettbewerb.
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