Donnerstag, 17. März 2016

Länderchefs haben beim Glücksspiel nichts dazu gelernt

Wolfgang Kubicki und Hans-Jörn Arp:
Länderchefs haben beim Glücksspiel nichts dazu gelernt

Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki, und der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Hans-Jörn Arp, erklären heute (17. März 2016) zur Weigerung der Ministerpräsidenten, einen Neustart bei der Glücksspielregelierung einzuläuten und dem Reformvorschlag Hessens zu folgen:
„Schon wieder verweigern sich die Länder einer tragfähigen Lösung bei der Glücksspielregulierung. Die Ministerpräsidenten rennen immer wieder gegen die gleiche Wand, weil sie offenbar nichts dazu gelernt haben. Dabei wäre nur ein Neustart das richtige Signal gewesen“,
erklärte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

Offensichtlich wollten die Regierungschefs aber auch gar keine tragfähige Lösung finden.
„Schließlich steht schon heute fest, dass die Ministerpräsidenten erneut vor der Europäischen Kommission scheitern werden. Zudem riskieren sie mit ihrem Festhalten am Glücksspielstaatsvertrag leichtfertig ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik, weil sie sich weiterhin nicht den Gegebenheiten des Marktes stellen. Auch Ministerpräsidenten dürfen die zahlreichen Gerichtsurteile zum Glücksspiel nicht ignorieren. Wir fordern darum Torsten Albig auf, endlich über die positiven Erfahrungen des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes zur Regulierung des Marktes zu berichten. Offensichtlich hat er das bis heute nicht getan“,
so Arp.

Quelle: CDU-Fraktion und FDP Landtagsfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag


Die Konfrontation zwischen den Bundesländern und Hauptbeteiligten beim umstrittenen Glücksspielstaatsvertrag hat sich zugespitzt.
„Die Äußerungen an der Spitze der Lottogesellschaft in Baden-Württemberg zeugen von einer erschreckenden Ahnungslosigkeit.
Es ist bedrückend, dass dort eine solche Unkenntnis herrscht“, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) der F.A.Z.
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Qualifizierter fortgesetzter Rechtsbruch?
Obwohl mit den EuGH Urteilen vom 08.09.2010 die weitere Einschränkung der Freiheitsgrundrechte ausdrücklich verboten wurde, bis eine unionsrechtskonforme Neuregelung gefunden wird, wurde mit den Ausführungsgesetzen der Länder und dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 die unionsrechtswidrige Regelung fortgeführt! (vgl. EuGH-Naderhirn, z. Art. 267 AEUV, Rs. C-581/14)

Mit dem Urteil v. 04.02.2016 (Ince) wurde höchstrichterlich festgestellt, das noch immer gegen das Sportwettenurteil des BVerfG (1 BvR 1054/01) v. 28.03.2006 verstoßen wird!

Um einen etwaigen Ermessensmißbrauch des Gesetzgebers zu begegnen, hat der EuGH in der Rs. Costa u.a (C-72/10 und C 77/10) entschieden:
Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind. (Rn 81)
Seit dem EuGH-Urteil v. 04.02.2016 (Ince) steht fest, dass noch immer gegen das Wettbewerbs- und Kartellrecht der Europäischen Union und damit gegen die Vorgaben a.d. Entscheidung Costa (Rn. 81) verstoßen wird, wodurch das unionsrechtliche Schadenersatzrecht zum tragen kommt.

s.a.: BGH: Schadensersatzansprüche wegen eines Kartellrechtsverstoßes gg. Lottogesellschaft NRW
   

Europäischer Gerichtshof:
Urteile vom 08.09.2010, PM 78/10
Urteil vom 04.02.2016, RS C-336/14PM 10/16 Ince
Bundesverfassungsgericht:
Urteil vom 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 

Somit ist die Glücksspielgesetzgebung  seit 1999 durchgängig rechtswidrig

Wieviele Gesetze sollen noch ausgearbeitet werden, die nicht im Einklang mit höherem Recht sind?

acte-clair-Doktrin des EuGH:
Was europarechtswidrig ist, ist auch verfassungswidrig.

Das BVerfG führt in seinem Sportwettenurteil (BVerfGE 115, 276 ff = NJW 2006, 161 ff) unter Rn. 144 aus, dass die Anforderungen des Verfassungsrechts parallel zu den vom EuGH formulierten Vorgaben verlaufen.

Das Übergehen der Rechtsprechung des EuGH führt somit zur Verfassungswidrigkeit!

Wird die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes durch das BVerfG festgestellt, so ist das betroffene Gesetz von Anfang an nichtig (§ 78 BVerfGG).

Ein Urteil, das ein Gesetz für nichtig erklärt, hat nicht nur Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG), sondern es bindet auch gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG mit den tragenden Entscheidungsgründen alle Verfassungsorgane des Bundes derart, daß ein Bundesgesetz desselben Inhalts nicht noch einmal erlassen werden kann.
BVerfG - 2 BvG 1/51 vom 23. Oktober 1951

Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung
EuGH zur Reichweite der EU-Grundrechte-Charta
Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (Winner Wetten, C-409/06, Rn 58)
Bundesverfassungsgericht (Az.: 1 BvR 223/05) zur Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) durch die Außerachtlassung gemeinschaftsrechtlich begründeter subjektiver Rechte der Veranstalter und Vermittler...

Verurteilung durch das AG München trotz unsicherer Rechtslage!
Unter einer Fehlinterpretation der EuGH-Entscheidung Digibet (C-156/13) s.u. und ohne das Sportwetten-Vorlageverfahren Ince (Rechtssache C-336/14) Vorlagebeschluss vom 6. März 2014, Az. 1 Ds 400 Js 17155/11 abzuwarten und ohne die Stellungnahme der Europäischen Kommission an den EuGH vom 6. November 2014 zu berücksichtigen, entschied das AG München trotz unsicherer Rechtslage:
"Wer im Internet Glücksspiele über einen Anbieter ohne deutsche Zulassung spielt, macht sich strafbar. Mit einem am Freitag, 2. Januar 2015, bekanntgegebenen Urteil verhängte das Amtsgericht München in solch einem Fall ein Bußgeld von 2.100 Euro und zog Gewinne in Höhe von 63.490 Euro ein (Az.: 1115 Cs 254 Js 176411/13).
Das deutsche Verbot von Glücksspielen im Internet verstoße auch nicht gegen Europäisches Recht, betonte das Amtsgericht ......"
Mit dem fehlgehenden Urteil hat das AG München der EuGH-Entscheidung Ince s.o. vorgegriffen, mit der die erneute Unionsrechtswidrigkeit festgestellt wurde, wodurch der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols auch verfassungswidrig ist.
(2 BvR 1496/05, Rn. 33 f; 1 BvR 1054/01 v. 28.03.2006)

Bereits mit der RS (C-156/13) Digibet Ltd und Gert Albers/Westdeutsche Lotterie GmbH & Co. OHG entschied der EuGH, dass das vorlegende Gericht, also der Bundesgerichtshof zu prüfen hat, ob die in Rede stehende Regelung allen sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt. (vgl. Urteil Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582, Rn. 50).

Rechtsanwalt Rolf Karpenstein zur Entscheidung des BGH (I ZR 171/13) vom 07.05.2015 (EuGH C-156/13)
Zur Verhältnismäßigkeit entschied der EuGH u.a. auch in der Rechtssache Pfleger (C-390/12) am 30. April 2014, sowie am 28.01.2016 in der Rs. Rosanna Laezza (C-375/14).

Strafverfahren gegen Sebat Ince
Nachtrag zu „Freispruch in Sonthofen“
AG Sonthofen:
Freispruch i.d. Rs. Ince
EuGH (Rs. C-336/14)
Schlussanträge Rs.: Ince (C-336/14) - Der Generalanwalt SZPUNAR hält Konzessionsverfahren europarechtswidrig
Mündliche Verhandlung vor dem EuGH

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Das Regulierungschaos erhält das unionsrechtswidrige Monopol! 
Die Europäische Kommission hält die deutschen Glücksspielregelungen für europarechtswidrig und verweist auf die Einhaltung der Vorgaben aus dem Urteil Pfleger vom 30. April 2014.(C-390/12, Randnr. 43)
Pflicht zur Befolgung der Vorgaben eines übergeordneten Gerichts, EuGH (Rs. C-581/14)
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Behördliche Willkür auf Vollzugsebene – Eine Anmerkung zu VG Darmstadt – 3 L 1807/14.DA
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