Donnerstag, 26. Oktober 2017

Bridge ist kein "Sport" im Sinne des Mehrwertsteuerrechts


s.a.:
BFH Turnierbridge ist gemeinnützig
Urteile vom 9.2.2017   V R 69/14 und V R 70/14
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EuGH: Rs. C-90/16

Bridge ist kein "Sport" im Sinne des Mehrwertsteuerrechts

Der EuGH hat entschieden, dass Duplicate-Bridge nicht unter den Begriff "Sport" im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt und daher nicht als solcher von der Mehrwertsteuer befreit werden kann.

Allerdings schließe der EuGH nicht aus, dass die Mitgliedstaaten annehmen können, dass Duplicate-Bridge unter den Begriff "kulturelle Dienstleistungen" im Sinne der Richtlinie fällt.

The English Bridge Union (EBU) ist eine nationale Organisation zur Regelung und Entwicklung von Duplicate-Bridge in England. Dieses Kartenspiel ist eine Variante des Bridge-Spiels und wird auf nationaler und internationaler Ebene in Wettkämpfen gespielt, wobei jedes Paar nachfolgend dasselbe Blatt wie die Teilnehmer an den anderen Tischen spielt. Die Rangfolge wird so entsprechend den jeweiligen Ergebnissen erstellt. Die EBU organisiert Duplicate-Bridge-Turniere und verlangt von den Spielern eine Teilnahmegebühr, um daran teilnehmen zu können. Sie führt auf diese Gebühren Mehrwertsteuer ab. Die EBU verlangte die Rückerstattung dieser Steuer gemäß der Mehrwertsteuerrichtlinie (RL 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - ABl. 2006, L 347, 1). Sie ist der Auffassung, dass sie in den Genuss der Steuerbefreiung kommen müsse, die die Richtlinie bestimmten, in engem Zusammenhang mit Sport stehenden Dienstleistungen einräume.
Die Steuerverwaltung hatte diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Vorschriften, nach denen bestimmte, "in engem Zusammenhang mit Sport … stehende Dienstleistungen" von der Steuer befreit seien, voraussetzten, dass ein "Sport" eine bedeutende körperliche Komponente enthalten müsse. Die EBU erhob gegen diese Entscheidung der Steuerverwaltung eine Klage, die abgewiesen wurde. Das mit dem Rechtsmittel gegen dieses Urteil befasste Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Rechtsmittelgericht [Kammer für Steuer- und Finanzsachen], Vereinigtes Königreich) führt aus, dass Duplicate-Bridge zwar hohe intellektuelle Fähigkeiten voraussetze, fragt aber den EuGH, ob es sich dabei um einen "Sport" im Sinne der Richtlinie (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der RL 2006/112/EG) handelt.

Der EuGH hat entschieden, dass Duplicate-Bridge nicht unter den Begriff "Sport" im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt und daher nicht als solcher von der Mehrwertsteuer befreit werden kann.

Nach Auffassung des EuGH ist er nicht dazu aufgerufen, die Bedeutung des Begriffs "Sport" im Allgemeinen zu bestimmen, sondern diesen im Rahmen der Mehrwertsteuerrichtlinie auszulegen. Die Bedeutung des Begriffs "Sport" sei, da er in dieser Richtlinie nicht definiert wird, nach ständiger Rechtsprechung entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen sei, in welchem Zusammenhang er verwendet werde und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden. Da im Kontext der Mehrwertsteuerbefreiungen Ausnahmen eng auszulegen seien, sei die Auslegung des Begriffs "Sport" in der Richtlinie auf Tätigkeiten beschränkt, die dem gewöhnlichen Sinn des Begriffs "Sport" entsprechen und die sich durch eine nicht unbedeutende körperliche Komponente auszeichnen.

Duplicate-Bridge setze zwar Logik, Gedächtnisvermögen und strategisches Denken voraus und könne der geistigen und körperlichen Gesundheit derer, die es regelmäßig spielen, förderlich sein, der EuGH entscheidet aber, dass die Tatsache, dass eine Tätigkeit der körperlichen und geistigen Gesundheit förderlich ist, für sich allein genommen kein hinreichender Anhaltspunkt für die Schlussfolgerung sei, dass diese Tätigkeit unter den Begriff "Sport" im Sinne der Richtlinie fällt. Der Umstand, dass eine der körperlichen und geistigen Gesundheit förderliche Tätigkeit in Wettkämpfen ausgetragen werde, lasse keinen anderen Schluss zu.

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass eine Tätigkeit wie Duplicate-Bridge, die sich durch eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente auszeichne, nicht unter den Begriff "Sport" im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt. Eine solche Auslegung greife nicht der Frage vor, ob eine Tätigkeit, die eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente enthalte, unter den Begriff "kulturelle Dienstleistungen" im Sinne der Richtlinie (Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Mehrwertsteuerrichtlinie) fallen könnte, wenn diese Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer Ausübung, ihrer Geschichte und der Traditionen, zu denen sie gehöre, im sozialen und kulturellen Erbe eines Landes einen solchen Platz einnehme, dass sie als Teil seiner Kultur angesehen werden kann.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 113/2017 v. 26.10.2017