Sonntag, 21. Dezember 2014

Umsatzsteuer: div. BMF-Schreiben


Die DurchführungsVO zur Richtlinie 2006/112/EG  gibt verbindlich vor, dass diese i.S.d Art. 249 EG innerhalb der Mitgliedstaaten allgemeinverbindlich und unmittelbar gültig ist; keiner Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber
bedarf, und etwaigen entgegenstehenden Vorschriften des UStG oder der UStDV vor geht. (vgl. EuGH, Rs. C-228/05 Stradasfalti; Rs. C-259/10 und C-260/10 Rank Rn 69; zur unmittelbaren und vorrangigen Anwendbarkeit der MwSt-Richtlinien zugunsten des Steuerpflichtigen) EuGH Entscheidungen
s.u.

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BMF-Schreiben
17.12.2014
Umsatzsteuer; Umgang mit Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zur praktischen Anwendung des EU-Rechts auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer
Quelle


BMF-Schreiben
17.12.2014  (Auszug)

Oberste Finanzbehörden
Der Länder

Nachrichtlich:
Bundeszentralamt für Steuern

Umsatzsteuer;

Umgang mit Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zur praktischen Anwendung des EU-Rechts auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer

Die Europäische Kommission ist in der letzten Zeit dazu übergegangen, die Anwendung von Vorschriften aus neuen Legislativakten des Rates durch umfangreiche Veröffentlichungen auf ihrer Homepage zu begleiten. In den Veröffentlichungen erläutert die Europäische Kommission, wie die neuen Vorschriften aus ihrer Sicht anzuwenden sind. Diese Erläuterungen werden mit unterschiedlichen Bezeichnungen veröffentlicht. Bisher liegen folgende Veröffentlichungen vor:
  • Erläuterungen zu den Mehrwertsteuervorschriften für die Rechnungsstellung (Richtlinie 2010/45/EU des Rates);
  • Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer vom 23. Oktober 2013;
  • Erläuterungen zu den Änderungen der EU-Mehrwertsteuervorschriften bezüglich des Ortes von Telekommunikations-, Rundfunk- und elektronischen Dienstleistungen, die 2015 in Kraft treten, vom 3. April 2014 (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates) und
  • Informationen für Unternehmen, die sich für die Miniregelung für eine einzige Anlaufstelle (MOSS) anmelden (Zusätzliche Leitlinien - Prüfung der MOSS-Daten).
Die Europäische Kommission weist in den Veröffentlichungen jeweils ausdrücklich darauf hin, dass diese nicht rechtsverbindlich sind, sondern lediglich als praktische und informelle Information zu sehen sind, wie die Rechtsvorschriften der EU nach Ansicht der Generaldirektion Steuern und Zollunion anzuwenden sind. Folglich seien weder die Europäische Kommission selbst noch die Mitgliedstaaten an den Inhalt der Veröffentlichungen gebunden.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für den Umgang mit Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zur praktischen Anwendung des EU-Rechts auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer Folgendes:

Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zur praktischen Anwendung des EU-Rechts auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer haben keine rechtliche Bindungswirkung. Dies gilt sowohl für bereits vorliegende Veröffentlichungen als auch für künftige Veröffentlichungen der Europäischen Kommission. Maßgeblich für die Rechtsanwendung sind das Umsatzsteuergesetz, die Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung sowie die Regelungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass und anderen Verwaltungsanweisungen.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Im Auftrag

Dieses Dokument wurde elektronisch versandt und ist nur im Entwurf gezeichnet
(pdf-Download)
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s.a.
BMF-Schreiben
03.01.2014 Steuern

Umsatzsteuer; Umgang mit den Leitlinien des gemäß Artikel 398 der Richtlinie 2006/112/EG eingerichteten Mehrwertsteuerausschusses
Quelle    (pdf-Download)


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RICHTLINIE 2006/112/EG DES RATES
vom 28. November 2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
KAPITEL 2

Im Wege einer Ermächtigung genehmigte Ausnahmen

Abschnitt 1

Maßnahmen zur Vereinfachung und zur Verhinderung der Steuerhinterziehung und -umgehung

Artikel 394

Die Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1977 Sondermaßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung oder zur Verhütung der Steuerhinterziehung oder -umgehung angewandt haben, können diese beibehalten, sofern sie sie der Kommission vor dem 1. Januar 1978 mitgeteilt haben und unter der Bedingung, dass die Vereinfachungsmaßnahmen mit Artikel 395 Absatz 1 Unterabsatz 2 in Einklang stehen.

Artikel 395

(1)  Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern.

Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Gesamtbetrag der von dem Mitgliedstaat auf der Stufe des Endverbrauchs erhobenen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen.

(2)  Ein Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen einführen möchte, sendet der Kommission einen Antrag und übermittelt ihr alle erforderlichen Angaben. Ist die Kommission der Auffassung, dass ihr nicht alle erforderlichen Angaben vorliegen, teilt sie dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags mit, welche zusätzlichen Angaben sie benötigt.

Sobald die Kommission über alle Angaben verfügt, die ihres Erachtens für die Beurteilung des Antrags zweckdienlich sind, unterrichtet sie den antragstellenden Mitgliedstaat hiervon innerhalb eines Monats und übermittelt den Antrag in der Originalsprache an die anderen Mitgliedstaaten.

(3)  Innerhalb von drei Monaten nach der Unterrichtung gemäß Absatz 2 Unterabsatz 2 unterbreitet die Kommission dem Rat einen geeigneten Vorschlag oder legt ihm gegebenenfalls ihre Einwände in einer Mitteilung dar.

(4) In jedem Fall ist das in den Absätzen 2 und 3 geregelte Verfahren innerhalb von acht Monaten nach Eingang des Antrags bei der Kommission abzuschließen.

Mehrwertsteuerausschuss

Artikel 398


(1)  Es wird ein Beratender Ausschuss für die Mehrwertsteuer (nachstehend „Mehrwertsteuerausschuss“ genannt) eingesetzt.

(2)  Der Mehrwertsteuerausschuss setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der Kommission zusammen.

Den Vorsitz im Ausschuss führt ein Vertreter der Kommission.

Die Sekretariatsgeschäfte des Ausschusses werden von den Dienststellen der Kommission wahrgenommen.

(3)  Der Mehrwertsteuerausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

(4)  Neben den Punkten, für die nach dieser Richtlinie eine Konsultation erforderlich ist, prüft der Mehrwertsteuerausschuss die Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften im Bereich der Mehrwertsteuer, die ihm der Vorsitzende von sich aus oder auf Antrag des Vertreters eines Mitgliedstaats vorlegt.
Quelle


Durchführungsvorschriften zur Mehrwertsteuerrichtlinie:

Die DurchführungsVO (DVO) ist - ohne dass es eines nationalen Umsatzungsakts bedarf - unmittelbar geltendes Recht.

Sie bindet damit:

die Mitgliedstaaten (Wirtschaftsteilnehmer, Verwaltung und Gerichtsbarkeit),
die Europäische Kommission und
auch den EuGH!

Quelle:  Umsatzsteuer in der Praxis, Rüdiger Weinmann (S 17) Wie der Generalanwalt in Nummer 23 seiner Schlussanträge ausgeführt hat,
haben die Mitgliedstaaten die Sechste Richtlinie auch dann anzuwenden, wenn sie sie für verbesserungsfähig halten. Wie aus dem Urteil vom 8. November 2001 in der Rechtssache C-338/98 (Kommission/Niederlande, Slg. 2001,I-8265, Randnrn. 55 und 56) hervorgeht, dürfen die Mitgliedstaaten, selbst wenn die Auslegung, die einige von ihnen vorschlagen, es erlauben würde, bestimmte mit der Sechsten Richtlinie verfolgte Ziele, wie die Steuerneutralität, besser zu erreichen, nicht von den in dieser Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Bestimmungen abweichen.  (C-243/03, Rn 35) Abweichungen von der RL sind nur über ein Dispensverfahren gem. Art. 395 der RL möglich. (s.o.)

Der EU-Ministerrat hat am 15. März 2011 eine Verordnung (EU Nr. 282/2011) angenommen, mit der neue Durchführungsvorschriften zur Mehrwertsteuerrichtlinie (2006/112/EG) festgelegt werden. Quelle

In der DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 282/2011 DES RATES vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem  (Neufassung) wird unter der Rn 4 erklärt:

"Da sie in allen Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt, wird die Einheitlichkeit der Anwendung am besten durch eine Verordnung gewährleistet"  pdf-download


Die Verordnung wird vom Rat der Europäischen Union gemeinsam mit dem Europäischen Parlament oder von der Europäischen Kommission allein angenommen. Sie hat allgemeine Geltung und ist in allen ihren Teilen verbindlich.

Im Gegensatz zu den Richtlinien, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, und den Entscheidungen, die ganz bestimmte Adressaten haben, richtet sich die Verordnung an alle.

Sie gilt unmittelbar, d. h., sie schafft Recht, das in allen Mitgliedstaaten wie ein nationales Gesetz gilt, ohne dass die Regierungen tätig werden müssen.


Im Amtsblatt der Europäischen Union
(pdf-download) vom 23.3.2011 steht auf Seite L 77/14:
“Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.“

Durch die Nichteinhaltung der unmittelbar gültigen DurchführungsVO zur Richtlinie 2006/112/EG, verstoßen die Finanzbehörden offenkundig und erheblich, also "hinreichend qualifiziert", gegen ihre – unionsrechtliche Verpflichtung und setzen sich damit der unionsrechtlichen Staatshaftung aus.
Mehr zur Staatshaftung nach Unionsrecht.

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Urteile
 
EuGH, 05.03.2015 - C-479/13 Kommission / Frankreich
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 96 und 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/88/EU des Rates vom 7. Dezember 2010 geänderten Fassung in Verbindung mit den Anhängen II und III dieser Richtlinie und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 verstoßen, dass sie auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz angewandt hat.


EuGH, 05.03.2015 - C-502/13 Kommission / Luxemburg
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Verstoß gegen die Art. 96 bis 99, 110 und 114 sowie gegen die Anhänge II und III der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) und gegen die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur MwSt.-Richtlinie (ABl. L 77, S. 1) - Anwendung eines ...
Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 96 bis 99, 110 und 114 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/88/EU des Rates vom 7. Dezember 2010 geänderten Fassung in Verbindung mit den Anhängen II und III dieser Richtlinie und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 verstoßen, dass es auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern einen Mehrwertsteuersatz von 3 % angewandt hat.


BFH, 03.12.2015 - V R 43/13
Mit Beschluss vom 22. Januar 2015 hat der erkennende Senat das Ruhen des Verfahrens bis zu den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in den Rechtssachen C-479/13 und C-502/13 angeordnet.
Dieser hat mit Urteilen vom 5. März 2015 über die Sachen entschieden (s. EuGH-Urteile Europäische Kommission gegen die Französische Republik vom 5. März 2015 C-479/13, EU:C:2015:141, und Europäische Kommission gegen das Großherzogtum Luxemburg C-502/13, EU:C:2015:143).
Die Mitgliedstaaten sind deshalb nicht ermächtigt, einen ermäßigten Steuersatz auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern anzuwenden (EuGH-Urteile Europäische Kommission gegen die Französische Republik, EU:C:2015:141, 1. Leitsatz, Rz 27 ff., 33, 34, und Europäische Kommission gegen das Großherzogtum Luxemburg, EU:C:2015:143, 1. Leitsatz, Rz 35 ff., 40, 41).
Nach Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSysRL sind die ermäßigten Steuersätze wiederum nicht auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen anwendbar, wie sie von der Klägerin erbracht wurden (vgl. EuGH-Urteile Europäische Kommission gegen die Französische Republik, EU:C:2015:141, Rz 33, und Europäische Kommission gegen das Großherzogtum Luxemburg, EU:C:2015:143, 1. Leitsatz, Rz 40, 61 f.).

EuGH, 06.06.2013 - C-667/11 Paltrade
Vorabentscheidungsersuchen - Administrativen sad - Varna - Auslegung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 723/2011 des Rates vom 18. Juli 2011 zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China auf aus Malaysia versandte Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ...
  
EuGH, 12.06.2014 - C-330/13 Lukoyl Neftohim Burgas
Vorabentscheidungsersuchen - Administrativen sad-Burgas - Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur ...