Freitag, 16. Februar 2018

Kommission fordert DEUTSCHLAND auf, seine Mehrwertsteuervorschriften zu ändern

Aufforderungsschreiben
Kommission fordert DEUTSCHLAND auf, sein MwSt-Erstattungssystem mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen.  MEMO/17/3494 Stand: 09-01-2018

Damit verstößt Deutschland, nach Ansicht der Kommission, auch nach mehrfacher Aufforderung noch immer gegen Vorgaben aus der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie und wird seit Jahren wegen falscher Umsetzung vor dem EuGH verklagt:

Kommission fordert die Einhaltung der MwStSystRL   weiterlesen
Die MwStSystRL ist keine „Kann-Bestimmung“ sondern eine „Muss-Vorschrift“ die keine Abweichung zulässt - wodurch es kein Ermessen gibt.
Die DurchführungsVO zur Richtlinie 2006/112/EG gibt verbindlich vor, dass diese i.S.d Art. 249 EG innerhalb der Mitgliedstaaten allgemeinverbindlich und unmittelbar gültig ist; keiner Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber bedarf, und etwaigen entgegenstehenden Vorschriften des UStG oder der UStDV vor geht.  weiterlesen  

Die Kommission hat eine Konformitätsprüfung eingeleitet, um zu prüfen, ob die Umsetzung in den EU-Mitgliedstaaten mit dem geltenden EU-Recht und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Einklang stehen. weiterlesen

Vertragsverletzungsverfahren:
EuGH: C‑380/16 - Deutschland verstößt gegen  ihre Verpflichtungen aus Artikel 73 sowie aus den Art. 306 bis 310 der MwStSystRL.
  1. Es ist unzulässig, Steuerpflichtige, die Reiseleistungen für ihr Unternehmen nutzen, von der Anwendung der Sonderregelung auszuschließen.
  2. Die im deutschen Umsatzsteuerrecht vorgesehene Berechnungsmethode mit der Richtlinie 2006/112/EG unvereinbar
Vertragsverletzungsverfahren:
EuGH: C‑616/15 - Deutschland verstößt gegen d. MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. f
Europäischer Gerichtshof: Deutschland muss Mehrwertsteuerbefreiung ausweiten.
Rn 8)  Art. 131 in Kapitel 1 („Allgemeine Bestimmungen“) von Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Richtlinie 2006/112 lautet:
„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“
Wie sich aus div. EuGH-Urteilen entnehmen lässt, wurde das harmonisierte Mehrwertsteuerrecht seit 1970 nicht entsprechend der MwStSystRL angewandt und auch nicht vollständig in das nationale Recht umgesetzt, weshalb sich weder die Rechtsgrundsätze, wie der unmittelbar und wertentsprechende Leistungsaustausch   (Bastova v. 10.11.2016 - C-432/15; Tolsma v. 3.3.1994 - C-16/93, Rz 13 und 14; Gemeente Borsele v. 12. 5.2016 - C-520/14, Rz 24; Lajver v. 2.6.2016 C-263/15, Rz 26) und der Neutralitätsgrundsatz ((vgl. EuGH-Urteil Netto Supermarkt C-271/06, EU:C:2008:105, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, Di Maura vom 23. November 2017 (C-246/16) zur Rolle des Steuerpflichtigen als bloßer ”Steuereinnehmer für Rechnung des Staates”)  noch die Ziele und Vorgaben, der aus über 414 Artikel bestehenden, unmittelbar anzuwendenden MwStSystRL nebst den vorgehenden 67 Erwägungsgründen im nationalen Recht wiederfinden lassen.

Dadurch werden die Grundrechtsträger über die Rechte die diesen aus der MwStSystRL erwachsen, im Unklaren gelassen.
(vgl. u.a. Rs 8/81, Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 25; Rs C-141/00, Dansk Denkavit Rs C-200/90, Rn 2; Kügler, Slg. 2002, I-6833, Randnr. 51; Rs C-465/00, C-138/01 und C-139/01, Österreichischer Rundfunk u.a., Slg. 2003, I-4989, Rr. 98; Linneweber C-453/02, Akritidis C-462/02, Rn. 33)

EuGH - Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer –
Mittlerweile ist sich der BFH selbst nicht mehr sicher, ob seine bisherige Rechtsauslegung (kalkulatorische Abwälzung) zum Neutralitätsgrundsatz mit dem geltenden EU-Recht und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Einklang stehen und stellte entsprechende Vorlagefragen an den EuGH.

Bundesrechnungshof: Mehrwertsteuer verstoße in vielen Teilen gegen geltendes EU-Recht 

Der Rechnungshof rügt das Mehrwertsteuer-Chaos
Mehr Durchblick im Steuer-Dschungel: Der Rechnungshof hat die Regierung zu einer Reform der Mehrwertsteuer aufgefordert. 
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Die MwStSystRL ist mit der DurchführungsVO (DVO) (Art. 288 UA 2 AEUV)  - ohne dass es eines nationalen Umsatzungsaktes bedarf  – in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht.

Sie bindet damit:
  • die Mitgliedstaaten (Wirtschaftsteilnehmer, Verwaltung und Gerichtsbarkeit),
  • die Europäische Kommission und auch den 
  • EuGH

Damit ist die sog. "Durchgriffswirkung" der Verordnung und ihre unmittelbare Anwendbarkeit in den Mitgliedstatten primärrechtlich festgeschrieben.

Aufgrund ihrer abstrakt-generellen Regelungswirkung kommt der Verordnung Rechtssatzqualität zu, weswegen sie auch als "Europäisches Gesetz" bezeichnet wird und die einzige gültige Rechtsgrundlage für die gesamte Union darstellt.

Somit liegt auch die Gesetzgebungskompetenz zum harmonisierten Mehrwertsteuersystem ausschließlich beim Rat und nicht beim bundesdeutschen Gesetzgeber!

Richtlinienkonforme Auslegung
Die nationalen Behörden und Gerichte haben die unmittelbar gültige MwStSystRL anzuwenden, wie sie ist, und dürfen diese nicht auslegen.
Das heißt, das Auslegungsfragen nach den in der 6. EG-RL/MwStSystRL verwendeten gemeinschaftsrechtlichen Begriffen und dem darin umrissenen Mehrwertsteuersystem zu lösen sind.

EuGH-Haderer, C-445/05, Rn 17
“Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (vgl. Urteile vom 25. Februar 1999, CPP, C‑349/96, Slg. 1999, I‑973, Randnr. 15, vom 8. März 2001, Skandia, C‑240/99, Slg. 2001, I‑1951, Randnr. 23, und Ygeia, Randnr. 15).“

Sollte eine Behörde oder ein Gericht der Meinung sein, es gäbe offene Fragen, so sind diese dem EuGH vorzulegen.
(vgl. BFH, Urteil vom 30.8.2017, XI R 37/14,  Rn 26ff)


Erweiterung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Rechtssystemen in der EU und Wahrung der Rechtsstaatlichkeit
Die Werte der Gleichheit, Nichtdiskriminierung, Inklusion, menschlichen Würde, Freiheit und Demokratie garantieren allen EU-Bürgerinnen und ‑Bürgern dieselben Grundrechte. Die in den EU-Verträgen und in der Charta der Grundrechte festgeschriebene Rechtsstaatlichkeit untermauert und schützt diese Werte.
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Die Europäische Kommission hat heute eine Konformitätsprüfung eingeleitet, um zu prüfen, ob die Mehrwertsteuererstattungen an Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten mit dem geltenden EU-Recht und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Einklang stehen.
Diese Maßnahme ist Teil der Bemühungen der Kommission um einen einheitlichen Mehrwertsteuerraum, in dem der Verwaltungsaufwand für die Unternehmen, insbesondere für Kleinstunternehmen und KMU, drastisch reduziert wird.
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Grenzübergreifende Mehrwertsteuererstattung an EU-Unternehmen
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Zusammengefasst von Volker Stiny