Mittwoch, 13. Mai 2015

Kurt Beck´s Experiment ist gescheitert - das Regulierungschaos ist perfekt !

Vor ziemlich genau zwei Jahren schrieb Markus Maul, Präsident des Verbandes Europäischer Wettunternehmer – VEWU:
„Die Experimentierklausel wurde offensichtlich falsch verstanden. Sie bezieht sich auf die Erprobung des Konzessionsmodels und nicht auf das Vergabeverfahren. Das Verfahren steckt momentan in einem unüberschaubaren Chaos.
Es ist überhaupt nicht absehbar, wann mit der Erteilung der Konzessionen gerechnet werden kann.
Ein Armutszeugnis für die Politik!“

Das VG Wiesbaden kommt am 16. April 2015 zur selben Erkenntnis und wies im Hinblick auf die lange Dauer des Verfahrens darauf hin, dass die siebenjährige Experimentierphase, in der die Öffnung des Sportwettenmarktes bundesweit erprobt werden soll, nicht dafür gedacht sei, den Behörden zu ermöglichen zu experimentieren, wie ein Konzessionsverfahren gestaltet werden kann.

Das Ausloten unionsrechtlicher Grenzen durch den Gesetzgeber, insbesondere der seit 1970 geltenden Verbotsnorm des Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), ist im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarkeit unzulässig und verstößt durch unzulässige Eingriffe seit 1999 gegen Unionsrecht. Staatliche Einschränkungen sind rechtfertigungsbedürftig! (vgl. u.a. Winner Wetten, Rn 58; Pfleger; Fransson s.u.)

Glücksspiel: Kurt Beck wollte staatliches Monopol retten
Der Europäische Gerichtshof hat das staatliche Glücksspielmonopol gekippt - nun kündigt SPD-Ministerpräsident Beck eine Offensive an. Er will bis zum Frühjahr 2011 einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag vorlegen, der die Auflagen des Gerichts erfüllt.

Dabei wurden vorsätzlich diverse Entscheidungen des EuGH´s, Hinweisschreiben der Kommission sowie die Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens von den "Verantwortlichen" missachtet.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichthofs betrifft nicht nur die europarechtliche Zulässigkeit mitgliedstaatlicher Glücksspielmonopole, sondern stellt auch die Frage, ob deren Strafbewehrung am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts scheitert. (vgl. 1 BvR 223/05 Rn 33, 34; 2 BvR 1496/05)
Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union binden in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden. (PM v. 24.1.13)

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat durch Beschluss vom 16. April 2015 (Az.: 5 L 1448/14.WI) entschieden, dass das aufgrund einer „Experimentierklausel“ des Glücksspielstaatsvertrages dessen Totalverbote nur für Sportwetten probeweise und vorübergehend lockernde Ausschreibungsverfahren nicht die Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren erfüllt.

Nach Auffassung der Kammer weist das bisherige Verwaltungsverfahren zur Auswahl der Bewerber verschiedene Rechtsverstöße und Ausführungsmängel auf, die die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und den Anspruch auf ein diskriminierungsfreies und transparentes Auswahlverfahren (§ 4b GlüStV, Art. 3 Abs. 1 GG) verletzen. Das VG Wiesbaden stoppte die Erteilung von 20 Sportwetten-Konzessionen an die ausgewählten Bewerber. (Beschluss 5 L 1453/14.WI vom 05.05.2015)

Auch unter der Verantwortung des früheren rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, sind rund 524 Millionen Euro in den „Freizeitpark und Spielcasino – Nürburgring“ und weitere Zuwendungen von sage und schreibe 220 Millionen Euro sowie jährliche Subventionen zwischen 15 und 30 Millionen Euro an den „Flughafen Hahn“ geflossen, womit gegen Beihilfevorschriften der Union verstoßen wurde und diese Steuergeldverschwendung einen Platz in der "wiwo" Zusammenfassung: „Die größten Investitionsruinen Deutschlands“ fand.

Kurt Beck, dem eine Fast-Verstaatlichung der gesamten Branche, einschließlich der Geldspielautomaten und Pferdewetten vorschwebte, war auch für den von Anfang an umstrittenen GlüStV 2012 und das Konzessionsverfahren verantwortlich, dem nun das VG Wiesbaden (5 L 1453/14.WI) attestierte, dass das bisherige Verfahren als intransparent und fehlerhaft zu bewerten sei und nicht die Anforderungen an eine zulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit erfüllt.

Der ehemalige Elektromechaniker und damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte während des Gesetzgebungsverfahrens: «Wir sehen überhaupt nicht, dass es zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommen kann.»

Es ist bemerkenswert, dass die Kommission ausdrücklich auf die Möglichkeit verweist, auch nach förmlichem Abschluss des Notifizierungsverfahrens ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, sollte eine der Vorschriften des geplanten GlüÄndStV nicht mit Unionsrecht vereinbar sein.
s. Mitteilung der Europäischen Kommission im Notifizierungsverfahren NR. 2011/188/D

Univ.-Prof. Dr. iur. Christian Koenig: Die "Experimentierklausel L 15" nach dem GlüÄndStV-E begründet keine – auch keine experimentelle – Marktöffnung, sie ist als eine regulatorische Mogelpackung inkohärent und diskriminierend!

SPD-Abgeordnete Angelika Graf: "Der neue Vertrag orientiert sich sehr an dem alten und geht zu wenig auf die Suchtprävention ein. Das ist umso peinlicher, als die Anforderungen bekannt waren."

Landtag von Baden-Württemberg:
Europarecht ist bei der Schaffung neuer Regelungen zum Glücksspiel beachten

Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn sagte, „ich fürchte seit Jahren, dass das, was Deutschland macht, nicht mit EU-Recht vereinbar ist“.  weiterlesen
Kafka schrieb in seinem Abschlussbericht vom 06. Sept. 2013, zum österr. Glücksspielgesetz:
(gleiches kann auch für Deutschland angenommen werden)
„Auf verschiedene Unzulänglichkeiten angesprochen, wurde von den Fachbeamten auf den Willen der verantwortlichen Politiker verwiesen und deshalb gäbe es keinen Spielraum für manche Einzelheiten.
Im persönlichen Gespräch mit den damals zuständigen Politikern meinten diese jedoch, dass sie selbst von der Materie nichts verstünden und deshalb sich ganz auf die Darstellungen ihrer Fachbeamten verlassen müssten.“
Mit dem Costa-Urteil vom 16. Februar 2012 verschärfte der Europäische Gerichtshof die Anforderungen an die Vergabe von Glücksspielkonzessionen und bestätigte unter der Rn 43/83 seine bisherige Rechtsprechung (Urteil Placanica u. a., Randnr. 63/69/70), dass keine strafrechtlichen Sanktionen bei einem unionsrechtswidrigen Ausschluss verhängt werden dürfen.
Bereits mit dem Urteil Dickinger/Ömer (C-347/09) wurde unter der Rn 43 auf die Entscheidung Plancanica hingewiesen: 
Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist zunächst festzustellen, dass ein Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 49 EG nicht vereinbar ist. (Plancanica, Rn 63 und 69)
Der EuGH verbietet ausdrücklich, nationale strafrechtliche Sanktionen immer dann, wenn die nationalen Monopolregelungen und vor allem die Praxis der Durchführung des Glücksspielmonopols nicht mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. (vgl. Dickinger/Ömer; Rn 32)
So entschied auch das VG Hamburg am 29.4.2013, dass die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland zugelassene Wettanbieter derzeit keine landesweite Volluntersagung rechtfertige. Das Handeln der Vermittler sei nicht als unerlaubtes Glücksspiel, das eine vollständige Untersagung der Vermittlungstätigkeit rechtfertigen würde, zu verstehen. Weder das Fehlen der Vermittlungserlaubnis, noch die fehlende Konzessionierung des Wetthalters, noch die geltend gemachten Verstöße gegen das Live-Wetten- und Ereigniswettenverbot oder gegen das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV vermöchten die Untersagungsverfügungen zu tragen. 

Art. 7 EMRK  - Keine Strafe ohne Gesetz
(1) Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war.
Rechtssache C-336/14 (Ince)
Der Gerichtshof hat an die Parteien, die in der mündlichen Verhandlung auftreten möchten, die Frage gerichtet, welche Bestimmungen des GlüStV 2008 aus ihrer Sicht technische Vorschriften im Sinne der Informationsrichtlinie darstellen. (Notifizierungspflicht)
Mit den Entscheidungen in den RS. Fortuna sp. zoo (Rechtssache C-213/11), Grand sp. zoo (Rechtssache C-214/11) und Forta sp. zoo (Rechtssache C-217/11) zur Notifizierungspflicht hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt hat:
Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass nationale Bestimmungen wie jene des Glücksspielgesetzes (Ustawa o grach hazardowich) vom 19. November 2009, welche die Durchführung von Automatenspielen mit niedrigen Gewinnen an anderen Orten als in Kasinos und Spielsalons beschränken oder sogar allmählich unmöglich machen können, „technische Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen können, deren Entwürfe nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie übermittelt werden müssen, sofern feststeht, dass die genannten Bestimmungen Vorschriften darstellen, welche die Art oder die Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses wesentlich beeinflussen können, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

Nach Auffassung des EuGH muss das nationale Gericht neben der Möglichkeit einer (Um-)Programmierung der Automaten nunmehr prüfen, ob die Verringerung der Stätten für Automatenspiele auch mit einer Begrenzung der Höchstzahl der Spielkasinos und der dort benutzbaren Spielautomaten einhergeht. (Rn 38)
Durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 wurde das Spielhallenrecht in den Geltungsbereich des Staatsvertrages einbezogen und fällt dadurch unter das Glücksspielmonopol der Länder. Bisher war es ein freies Gewerbe. Durch die Neuregelung werden die Errichtung und der Betrieb von Spielhallen zahlreichen, nach geltendem Recht bislang nicht vorgesehenen Beschränkungen unterworfen (zusätzliche Erlaubnispflicht, Mindestabstände, Höchstzahlen, Sperrzeiten, Werbebeschränkungen etc.).
Die österreichische Firma Novomatic betrachtet mit seinen Tochterfirmen auch Deutschland als seinen Kernmarkt.
(vgl. Jahresfinanzbericht; S. 5)
Aus meiner Sicht müssen alle einschränkenden Maßnahmen notifiziert werden, da diese die Vermarktung der Geldspielgeräte und das Dienstleistungsangebot der Wettanbieter aus einem anderen Mitgliedsstaat in Deutschland behindern können.

Durch die glücksspielrechtlichen Ausführungsgesetze und sonstigen Bestimmungen, werden ausschließlich der privaten Wirtschaft Abstandsregelungen vorgegeben, die von den Spielhallen- und Wettbürobetreibern zu beachten sind, während die Lottoannahmestellen davon befreit sind, die ebenfalls Sportwetten des staatlichern Anbieters “oddset” nun "ODS GmbH" anbieten.

Jeder Eingriff des Staates verändert den Markt, auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite.

Hierzu hat der EuGH mit der Costa - Entscheidung (Rs. C-72/10 und C 77/10) eine weitere unzulässige Verletzung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowie des Gleichbehandlungs- und Effektivitätsgrundsatzes festgestellt und entschieden, dass eine nationale Bestimmung, nach der die neuen Konzessionäre mit ihren Einrichtungen einen Mindestabstand zu den bereits vorhandenen Konzessionären einzuhalten haben, als Diskriminierung zu werten ist, weil sich die neuen Konzessionäre an Orten niederlassen müssen, die geschäftlich weniger interessant sind als die der etablierten Betreiber.

“Bereits der Umstand, dass die bestehenden Betreiber einige Jahre früher als die rechtswidrig ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer ihre Tätigkeit aufnehmen und sich auf dem Markt mit einer gewissen Bekanntheit und Stammkunden etablieren konnten, verschafft ihnen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil. Ihnen gegenüber den neuen Konzessionären zusätzliche Wettbewerbsvorteile einzuräumen, hat zur Folge, dass die Wirkungen des rechtswidrigen Ausschlusses dieser neuen Konzessionäre von der Ausschreibung von 1999 aufrechterhalten und verstärkt werden, und stellt damit eine weitere Verletzung der Art. 43 EG und 49 EG sowie des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar.” (Rn. 53) 

Mit der Abstandsregelung werden die staatlichen Angebote bevorzugt, die nicht unter diese Regelung fallen. 

Will der Staat in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben in Grundrechte seiner Bürger eingreifen, so muss er den Eingriff durch überwiegende Gemeinwohlbelange rechtfertigen.
Das macht es erforderlich, sowohl diese Belange als auch den beabsichtigten Grundrechtseingriff zu gewichten. Quelle

Dirk Uwer schreibt auf Seite 12 seines RechtsgutachtensDie unwahre Gesetzesbegründung”, im Falle des 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrags kam eine weitere prozedurale Komplikation hinzu, die gleichfalls ohne Präzedenz ist:

Angesichts der massiven, vor allem europarechtlich akzentuierten Kritik am Vertragsentwurf billigte die Ministerpräsidentenkonferenz diesen zwar, stellte seine Ratifizierung jedoch unter den Vorbehalt einer „abschließenden positiven Stellungnahme der Europäischen Kommission im Notifizierungsverfahren“, das nach der technischen Richtlinie 98/34/EG einzuleiten war.
In der am 20. März 2012 bekannt gewordenen Stellungnahme verweigerte die Kommission aber eine solche abschließend positive Beurteilung.
Welche Bedeutung die Länder dem Brüsseler Votum tatsächlich beimaßen, zeigt sich indes an der Äußerung eines Beamten aus der von den Chefs der Staatskanzleien (CdS) eingesetzten Arbeitsgruppe für den Glücksspielstaatsvertrag vor Eingang der Stellungnahme der Kommission, man werde die Ratifizierung unabhängig von deren Ergebnis einleiten.

Dahinter steckt ein manipulatives Verhaltensmuster:
Schon die schriftliche Anhörung zum Glücksspielstaatsvertrag Ende 2006 war durch massive Ergebnisbeeinflussung geprägt. Obwohl rund 90 umfangreiche, ganz überwiegend ablehnende Stellungnahmen eingegangen waren, kamen die Glücksspielreferenten nach nur fünf Arbeitstagen zur Auswertung aller Stellungnahmen zu dem – später falsifizierten – Ergebnis, dass der Vertragsentwurf verfassungs- und europarechtskonform sei.
Die daraufhin gestellten Akteneinsichtsanträge, sämtliche zugehörigen Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurden abgelehnt. In der Tischvorlage zur entscheidenden Ministerpräsidentenkonferenz am 13. Dezember 2006 hieß es zu den geheim gehaltenen Stellungnahmen lapidar, es hätten sich „keine neuen Aspekte in der Sache“ ergeben. 

Die Bundesländer sind, wie das BVerwG in seinem Urteil vom 20. Juni 2013 feststellte, von der nicht zutreffenden Annahme ausgegangen, dass die Inkohärenz des Glücks– und Gewinnspiels auf einer unzureichenden Regulierung des gewerblichen Geldspiels beruht. Entsprechend des Urteils ist nicht die Expansion des gewerblichen Geldspiels sondern die anreizende Werbung anderer Glücksspielanbieter für die Inkohärenz des deutschen Glücks– und Gewinnspielmarkts verantwortlich.  Pressemitteilung Nr. 38/2013 des BVerwG vom 20. Juni 2012 (Az. 8 C 10.12; 8 C 12.12; 8 C 17.12).

Nach dem Bundesverwaltungsgericht musste auch der BGH am 16.04.2015 in der Rs. III ZR 204/13 bestätigen, dass das Sportwettenmonopol 2008 unionsrechtswidrig sei, womit erneut gegen das Wettbewerbs- und Kartellrecht der Europäischen Union verstoßen wurde und das unionsrechtliche Schadenersatzrecht zum tragen kommt. (vgl. G. Meeßen, Der Anspruch auf Schadensersatz bei Verstößen gegen EU-Kartellrecht – Konturen eines europäischen Kartelldeliktsrechts, Tübingen 2011, S. 256 f.)
AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Wettbewerbsregeln (Art. 101 - 109); Staatliche Beihilfen (Art. 107 - 109) 
„Art. 101 AEUV – Ersatz des Schadens, der durch ein nach diesem Artikel verbotenes Kartell verursacht wurde. vgl. EuGH in der Rs. Krone (C-557/12) v. 5. Juni 2014 zum Kartellrecht

Neben der Dienstleistungsfreiheit und der - selbstverständlichen - Beachtung der Standards der EU-Grundrechte-Charta (insbesondere Art. 1 bis 4, 47 bis 50) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (insbesondere Art. 1 bis 3, 6 und 7) wird darauf zu achten sein, dass die allgemeine Handlungsfreiheit der EU-Bürger nicht durch eine einseitig an der Durchsetzung der (wirtschaftlichen) Grundfreiheiten ausgerichtete Gesetzgebung unangemessen eingeschränkt wird.
EU-Justizpolitik nach dem Vertrag von Lissabon, S.6

Deutsche Telekom startet als Sportwettenanbieter
Die Deutsche Telekom steigt wie vermutet ins lukrative Geschäft mit Sportwetten ein: Ab sofort biete das Unternehmen mit tipp3.de ein internetbasiertes Angebot für Sportfans mit Schwerpunkt Fußball an, teilte der Bonner Konzern am Mittwoch mit.
"Wir setzen auf den Wachstumsmarkt Sportwetten", so der Manager Matthias Schmidt-Pfitzner in einer Aussendung.
Telekom startet mit tipp3.de faires und transparentes Angebot für Sportwetten in Deutschland
    Österreichische Sportwetten GmbH ist als starker Partner mit großer Erfahrung mit an Bord
    Sicheres und verantwortungsbewusstes Spielen ist zentraler Bestandteil
    Quicktipp und Ja/Nein-Wette gehören zu den Highlights

Startschuss für ein neues Kapitel der Sportwetten: Heute ist Anpfiff für www.tipp3.de – das faire und seriöse Angebot auf dem Sportwettenmarkt. Ab sofort bietet tipp3.de ein rein internetbasiertes Angebot für Sportfans mit dem Schwerpunkt Fußball. Aber auch auf andere spannende Sportarten wie Basketball oder Formel 1 kann getippt werden. Das neue Portal bietet Wetten ausschließlich auf Profisport, auf Amateur- und Jugendsport kann nicht gesetzt werden. Die Telekom ist mit 64 Prozent Mehrheitseigner des tipp3.de-Betreibers Deutsche Sportwetten GmbH (DSW) und steht für das Motto "Wir machen Sport besser".

"Wir setzen auf den Wachstumsmarkt Sportwetten", erklärte Matthias Schmidt-Pfitzner, Leiter Digital Media der Deutschen Telekom. "In dieses Geschäft gehen wir als vertrauenswürdiger Online-Anbieter – mit höchstem Fokus auf Sicherheit, Qualität und Kundenorientierung."

Die Deutsche Telekom an der die Bundesrepublik Deutschland direkt 14,5 Prozent und indirekt über die KfW weitere 17,4 Prozent der Aktien hält und der Sportwettenanbieter tipp3, haben am Mittwoch ihr deutsches Online-Wettportal gestartet.
Da das Lizenzverfahren aufgrund von Klagen auf Eis liegt, wird mit österreichischer Lizenz angeboten.
An der Deutsche Sportwetten GmbH (DSW), die das neue Portal betreibt, hält die Deutsche Telekom die Mehrheit von 64 Prozent. 36 Prozent gehören der Österreichischen Sportwetten GmbH (ÖSW), die wiederum im Mehrheitseigentum der teilstaatlichen Casinos-Austria-Gruppe steht. Weitere ÖSW-Eigentümer sind österreichische Zeitungen. (APA, 22.4.2015)
Die Deutsche Telekom umgeht trotz Staatsbeteiligung die bundesdeutsche Gesetzgebung, wodurch eine weitere Glücksspielangebotsausweitung erfolgt.
Wenn ohne Verstoß gegen Unionsrecht die Glücksspielangebote im Internet nicht verboten werden können, dann stellt sich die Frage, ob die grundrechtseinschränkenden Vorschriften gegen die Glücksspielautomatenaufsteller, die wesensgleiche Spiele anbieten, unter Beachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dann noch kohärent angewandt werden können? Wie lassen sich die staatlichen Einschränkungen dann noch rechtfertigen? Prof. Dr. Horst Dreier: "Der Staat hat kein Mandat zur Vernunftkontrolle"
Der EuGH führt in seinem Urteil Winner Wetten (C-409/06) vom 8. September 2010 unter der Rn 58 weiter aus:
„Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nach ständiger Rechtsprechung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, in den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist und auch in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden ist, und dass die Gerichte der Mitgliedstaaten insoweit in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit den Schutz der Rechte zu gewährleisten haben, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen (Urteil vom 13. März 2007, Unibet, C-432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnrn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).“
In der Sache P-000412/2015 verweist die Kommission ausdrücklich auf die Beachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12, Randnr. 43).

Die Frage, inwieweit die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechte zu beachten sind, wenn eine nationale Rechtsvorschrift in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, wurde durch das EuGH Urteil Pfleger (C-390/12) vom 30. April 2014 abschließend beantwortet, indem festgestellt wurde, dass das Urteil Fransson (C-617/10) grundsätzliche Aussagen zur Einhaltung der Grundrechtecharta enthalte und sich nicht auf das Umsatzsteuerrecht beschränkt. 

Nimmt ein Mitgliedsstaat Ausnahmen des Unionsrechts in Anspruch, um Beschränkungen der Grundfreiheiten zu rechtfertigen, so ist dies als "Durchführung des Rechts der Union" im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta anzusehen.
(vgl. Schlußanträge der Generalanwältin vom 14. Nov. 2013, Rs. C-390/12, Rn. 34 ff) 
Die Ausnahmeregelung fällt selbst in den Geltungsbereich des Unionsrechts.
Der Landesgesetzgeber behindert mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen die staatlich zugelassenen, gewerblichen Automatenaufsteller um vordergründig die Einnahmen der staatlichen Spielbanken zu stabilisieren. Durch die Neuregelung wurden die Errichtung  und der Betrieb von Spielhallen zahlreichen, nach bisherigem  Recht bislang nicht vorgesehenen Beschränkungen unterworfen. Mit seiner Bachelorarbeit weist Dennis Greiner datailiert nach, dass die einschränkenden Einzelmaßnahmen in seiner Gesamtheit zu einem verfassungswidrigen Berufsverbot führen.

Die Klagebefugnis der Betreiber von Glücksspielautomaten, die sich in einem Gerichtsverfahren gegen nationale Beschränkungen ihrer unionsrechtlichen Grundfreiheiten zur Wehr setzen wird durch den vorliegenden Spruch der Kammer dogmatisch neu definiert.
Mit dem Urteil werden dem Glücksspielunternehmer subjektive Rechte unmittelbar aus den Grundrechten eingeräumt. Schutzobjekt ist nicht mehr ausschließlich die Freiheit des Marktes für Glücksspiele, sondern das Individualinteresse in Form von grundrechtlichen Abwehrrechten.  (vgl. Hakenberg, Europarecht, 6 Aufl. 2012)
Der Glücksspielunternehmer ist nicht mehr darauf beschränkt, sich zum Schutz seiner Interessen auf die besonderen Marktfreiheiten des Unionsrechts als drittschützende Normen berufen zu müsssen, (vgl. 15 Schmidt, Die Stellung des Konkurrenten im Verwaltungsprozess, Jus 1999, 1107 (1118); EuGH, EuZW 1995, 635 (636)) ihm steht nunmehr auch eine originäre Rechtsposition aus den Grundrechten zur Verfügung. Das Urteil steht im Kontext des Wandels der EU von einer Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einer Wertegemeinschaft.
Quelle: Norbert Krewer, Saarburg-Kahren, ZfWG 6.14

Hierzu möchte ich auch auf den weitergehenden Schlussantrag in der Rs. C-62/14 (Gauweiler) verweisen mit welchem der Generalanwalt Villalón sehr klar macht, dass die Beurteilung ein und derselben Sachfrage gerade nicht mit zweierlei Maßstab, einmal dem nationalen Recht und einmal den europäischen Verträgen gemessen werden kann. Die Aufgabe der „Wahrung dieser Union“ sei unerfüllbar, „wenn man sie in Gestalt einer als „Verfassungsidentität“ bezeichneten Kategorie einem absoluten Vorbehalt unterstellen will“.
Europa, so sein Fazit, könne nicht ins Ermessen eines Mitgliedstaates gestellt werden.
Villalón verweist entsprechend auf das vom EuGH erarbeitete Institut der „gemeinsamen Verfassungstraditionen“ und ersetzt nationale Vorbehalte somit durch die Grundrechte der Union als verfassungsstiftende Werte. 

Hinsichtlich des Schicksals der Antworten des EuGH verweist der Generalanwalt vorsorglich auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und verschließt Karlsruhe mithin auch den Weg, die Antworten aus Luxemburg als nicht entscheidungserheblich anzusehen. Dabei führt er aus, dass er darauf vertraue, „dass das nationale Gericht in Anbetracht und unter Berücksichtigung der Antwort, die es vom Gerichtshof auf seine Vorlagefrage erhalten hat, unbeschadet der Wahrnehmung seiner eigenen Verantwortung diese Antwort als für im Ausgangsverfahren maßgeblich erachten werde“.
Quelle:  Analyse der Schlussanträge Rs. Gauweiler u.a. C-62/14
 

Der GlüÄndStV ist unionsrechtswidrig, weil dieser den Schadenersatz für unberechtigte Maßnahmen nicht regelt.
 

Ebensowenig wie die Verwaltungsbehörden dürfen Justiz und Legislative willkürlich verfahren. Praktisch besteht vor allem bei den gesetzgebenden Instanzen die Gefahr, daß sie bei der Rechtsetzung den weiten Rahmen ihres freien Ermessens nach "aussen" oder "innen" überschreiten. 
(s.u.a. Leibholz, Verbot der Willkür und des Ermessensmißbrauches im Völkerrecht, 1929, S 83) Um einem solchen etwaigen Ermessensmißbrauch des Gesetzgebers zu begegnen, hat der EuGH in der Rs. Costa u.a (C-72/10 und C 77/10) entschieden:
Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind. (Rn 81) 

Um verfassungskonform zu sein, müsste der GlüÄndStV Art und Ausmaß der Entschädigung regeln.
Diese Anforderung erfüllt der GlüÄndStV nicht. Schon aus diesem Grunde sind die Regelungen des § 29 Abs. 4 S. 2 und 3 verfassungswidrig. (Uwer, S. 5; vgl. Bachelorarbeit Dennis Greiner 5.2.6, Seite 46 -145-)

weitere Links zum GlüÄndStV:
Glücksspieländerungsstaatsvertrag, Entwurfsfassung 6. Oktober 2011

Glücksspieländerungsstaatsvertrag, Entwurfsfassung 14. April 2011 (PDF; 1,4 MB)

Sächsischer Landtag
A N H Ö R U N G  durch den Innenausschuss am 26. April 2012

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Beste Grüße
Volker Stiny